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Belgien: Leterme gibt Ringen um Regierungsbildung auf

Belgien kommt nicht aus der Krise: Nach fast sechs Monaten zäher Verhandlungen über eine neue Regierung hat der Christdemokrat Yves Leterme kapituliert. Er hatte endlich eine Entscheidung gefordert. Seit Juni ist das Land ohne offizielle Führung.

Leterme informierte am Nachmittag König Albert II. darüber, dass er mit seinem Auftrag zur Bildung einer Mitte-rechts-Regierung gescheitert sei. Anschließend wollte Leterme vor das Parlament treten. Seitdem Letermes flämische Christdemokraten am 10. Juni stärkste Kraft in Belgien wurden, ist das Land ohne neue Regierung - ein beispielloser Vorgang in der Geschichte des Königreichs. Die alte liberal-sozialistische Regierung von Ministerpräsident Guy Verhofstadt führt seither weiter die Geschäfte.

Die Verhandlungen über die Regierung scheiterten am alten Streit zwischen den niederländischsprachigen und frankophonen Kräften in Belgien. Leterme hatte von den vier Parteien, mit denen er über eine Regierung verhandelte, am Freitagabend ultimativ eine Entscheidung über Kernfragen der von ihm geplanten Staatsreform gefordert. Die vier niederländischsprachigen und frankophonen Parteien der Christdemokraten und Liberalen legten jedoch nicht wie gefordert ein klares Bekenntnis ab.

"Das ist nicht nur eine Regierungskrise, das ist eine nationale Krise, welche die staatlichen Strukturen beeinträchtigt", sagte ein frankophoner Abgeordneter. Im Kern ging es bei der von Leterme angestrebten Reform darum, den Regionen in Belgien mehr Kompetenzen etwa in steuerlichen Fragen zuzubilligen - was die niederländischsprachigen Flamen im reicheren Norden des Landes befürworten, die französischsprachigen Belgier in der Hauptstadtregion Brüssel und in der Wallonie im Süden jedoch ablehnen.

König Albert kann Leterme erneut beauftragen

Auch wollte Leterme die Möglichkeit eröffnen, dass die Verfassung im Parlament mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann, ohne dass es die sonst in föderalen Fragen üblichen Absprachen geben muss, die für ein Gleichgewicht zwischen den beiden Sprachengruppen sorgen. Die Abgeordneten aus Flandern, das allein gut 60 Prozent der belgischen Bevölkerung ausmacht, stellen im Parlament entsprechend die Mehrheit.

Der 47-jährige Flame Leterme hatte bereits im August das Handtuch geworfen, doch hatte ihn der König einen Monat später erneut mit der Regierungsbildung beauftragt. Albert II. kann nun nach einer Pause Leterme abermals beauftragen oder einen anderen Politiker mit der Aufgabe betrauen. Angesichts der größer werdenden Kluft zwischen Flamen und frankophonen Belgiern halten manche im Land auch eine Spaltung des 1830 gegründeten Königreichs nicht mehr für ausgeschlossen. (imo/AFP)

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