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Politik: Beliebt und doch gescheitert

Kolumbiens Präsident wollte seine Popularität für ein Referendum gegen Korruption nutzen – das Volk ließ ihn allein

Von Bernd Radowitz,

Rio de Janeiro

Kolumbiens konservativer Präsident Alvaro Uribe hat bei einem stark mit seiner Person verknüpften Referendum über politische und wirtschaftliche Reformen eine Niederlage erlitten. Gleichzeitig forderten Anschläge von linksgerichteten Guerillas mindestens 13 Todesopfer. Zudem deutete sich am Sonntag der Sieg eines linken Uribe-Rivalen bei Bürgermeisterwahlen in der Hauptstadt Bogotá an. Uribe sagte bei seiner Stimmabgabe am Samstag, das Referendum sei kein „Wunder, aber ein Schritt in die richtige Richtung gegen Korruption und politisches Fehlverhalten“. Seit Wochen hatte er die 25 Millionen Wahlberechtigten zu einer massiven Wahlbeteiligung gedrängt. Die Abstimmung über Vorschläge zur Haushaltssanierung und politische Reformen sei der beste Weg, um die Guerilla zu bekämpfen und einen Finanzkollaps zu verhindern.

In dem Referendum ging es unter anderem um den Ausschluss korrupter Politiker von Ämtern, einen Gehaltsstopp im öffentlichen Dienst, die Verpflichtung zu offener namentlicher Abstimmung im Parlament, eine Neuregelung des Parteiengesetzes und die Einführung öffentlicher Anhörungen bei wichtigen Investitionsentscheidungen.

Die Mehrheit der Wähler blieb den Urnen jedoch fern. Zwar stimmten von den übrigen 90 Prozent für Uribes Vorschläge. Die 15 Punkte des Referendums scheiterten jedoch an einer zu niedrigen Wahlbeteiligung. Mindestens ein Viertel der 25 Millionen Wahlberechtigen hätte sich beteiligen müssen, um der Volksabstimmung zur Gültigkeit zu verhelfen. Nach Auszählung von über 97 Prozent der Stimmen hatten jedoch alle Punkte dieses Ziel verfehlt. Ein Teil der Opposition und die Gewerkschaften hatten zum Wahlboykott aufgerufen. Ihnen missfielen vor allem die Einschnitte im öffentlichen Dienst, auch bei den Pensionären, und für die Politiker und Parteien. Uribe wurde vorgeworfen, mit dem Referendum ein „autoritäres Projekt“ vorantreiben zu wollen.

Zudem schüchterte die von Uribe bekämpfte Guerilla die Wähler ein. Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) griffen in mehreren Landesteilen Polizei-, Armee- und zivile Ziele an. Dabei kamen nach Behördenangaben mindestens sechs Zivilisten und sieben Armeeangehörige ums Leben. Acht weitere Menschen wurden verletzt und vierzehn entführt. Vor den Wahlen hatten die Guerillas bereits 30 Kandidaten für kommunale Ämter getötet. Die Einschüchterungskampagne führte dazu, dass über 200 Kandidaten in Angst um ihr Leben ihre Kandidatur zurückzogen.

Gestützt auf seine enorme Popularität hat Uribe seit seiner Wahl im Sommer 2002 versucht, an den politischen Eliten vorbei zu regieren. Um den Kongress zu umgehen, setzte er voll auf das Referendum, um seine politischen und wirtschaftlichen Reformen durchzusetzen. Das ist jetzt gescheitert. Die Wahlniederlage hat auch Uribes Stand bei Verhandlungen im Parlament geschwächt. Die Nullrunde im öffentlichen Dienst und die Höchstgrenze bei Staatsrenten, mit denen Uribe allein im nächsten Jahr 1,1 Milliarden Dollar einsparen wollte, sind wohl vorerst vom Tisch.

Will der Präsident seine immens teure Militärkampagne gegen die Farc, die ebenfalls linksgerichtete Nationale Befreiungsarmee (ELN) und rechtsgerichtete Paramilitärs weiterführen, riskiert er aber die Staatsfinanzen noch stärker ins Minus zu bringen. Eine große Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung steht jedoch hinter Uribes Versuch, die Guerillagruppen militärisch zu besiegen. Eingeständnisse von seinem Vorgänger Andres Pastrana, der der Farc eine Zone von der Größe der Schweiz zugestanden hatte, führten zu keinem Frieden und scheiterten letztendlich.

Bernd Radowitz[Rio de Janeiro]

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