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Bereit zur Verteidigung: Drei Vorfälle bringen zu Guttenberg in Bedrängnis

Der mysteriöse Tod eines Soldaten in Afghanistan, geöffnete Feldpost und eine Meuterei: Die mediale Lichtgestalt Karl-Theodor zu Guttenberg – sie strahlt dieser Tage ein bisschen weniger stark.

Von Michael Schmidt

Die mediale Lichtgestalt Karl-Theodor zu Guttenberg – sie strahlt dieser Tage ein bisschen weniger stark. Drei Nachrichten sind es, die das Leuchten des CSU-Politikers dimmen und den Minister mit bisher nicht gekannter Dringlichkeit zur Verteidigung seiner selbst nötigen. Eine über den mysteriösen Tod eines Soldaten kurz vor Weihnachten in Afghanistan; eine über unzulässig geöffnete Feldpost von Bundeswehrangehörigen am Hindukusch; und eine über Meuterei, Nötigung und sexuelle Belästigung auf dem Segelschulschiff Gorch Fock.

Nicht ausgeschlossen, dass der bisher ungewöhnlich populäre Baron im Bendlerblock nun auf Normalmaß gestutzt wird. Die Vorwürfe sind massiv. Die Rede ist von Vertuschung, Falschinformation von Öffentlichkeit und Parlament sowie Führungsfehlern in Ministerium und Bundeswehrapparat. Sie kommen beileibe nicht nur aus den Reihen der Opposition. Denn der liberale Koalitionspartner wittert die Chance zur Rache: Allzu penetrant hat sich Guttenberg wieder und wieder in Scharmützel mit FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle gestürzt, sei es bei der Nennung eines Datums für einen Abzugsbeginn, sei es bei der Beteiligung der Bundeswehr an Awacs-Aufklärungsflügen. Und all das hat nach nur drei Tagen bereits die Kanzlerin auf den Plan gerufen, die ausnahmsweise den Dingen nicht ihren Lauf lassen, sondern dem Kabinettskollegen rasch den Rücken stärken will.

Warum muss Guttenberg gestärkt werden?

Guttenberg hat unverzügliche Aufklärung zugesagt. Dennoch könnte es diesmal ernst werden für ihn. Egal, ob er selbst Informationen zurückgehalten hat oder ob sein Apparat ihm, dem obersten Dienstherrn, Informationen vorenthalten hat: Transparenz sieht anders aus. „Minister Guttenberg ist da angekommen, wo sein Vorgänger Jung aufgehört hat: im Kommunikationsdesaster“, sagt Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour. Franz-Josef Jung (CDU) war Ende 2009 nicht länger im Amt zu halten, als er nach einem Bombenangriff der Bundeswehr auf von Taliban entführte Tanklastzüge nicht erklären konnte, wer wann was über die bei dem Angriff getöteten Zivilisten gewusst und mitgeteilt hatte.

Guttenberg, der forsche Ankündigungsminister, muss zunehmend erkennen, dass er es mit starken Beharrungskräften zu tun hat. Mit der Lieferung schlagzeilenträchtiger Reformüberschriften dürfte es künftig nicht mehr getan sein. Der Verteidigungsminister wird sich mehr als bisher mit Details, mit dem Kleingedruckten, mit Kommandostrukturen und -inhalten beschäftigen müssen, will er erfolgreich sein. Er wird sein Haus in den Griff bekommen und das Parlament umfassender informieren müssen, will er nicht scheitern. Zuallererst aber wird er die aktuellen Vorwürfe parieren und den Hang des Apparats, unangenehme Informationen unter den Teppich zu kehren, bekämpfen müssen, will er politisch überleben.

Mit welchen Vorwürfen muss er sich bei dem getöteten Soldaten auseinandersetzen?

Am 17. Dezember kam in Afghanistan ein deutscher Soldat ums Leben – einen Tag bevor Kanzlerin Angela Merkel die Truppe in Kundus besuchte. Am 21. Dezember teilte das Ministerium dem Parlament mit, dass der 21-Jährige „tot aufgefunden“ worden sei und sich offenbar bei der „Reinigung seiner Waffe“ ein Schuss gelöst habe. Was Guttenberg und sein Ministerium da schon wussten, aber dem Parlament nicht mitteilten, war, dass der Soldat nicht allein war und der tödliche Schuss aus der Waffe eines Kameraden kam. Zwar erklärte der Minister der Nachrichtenagentur dpa schon beim Merkel- Besuch, „selbstverständlich ist es auch eine Herzensfrage, diesen Kameraden, von dem das Unglück ausging, und seine Familie aufzufangen“. Darauf beruft er sich, wenn er jetzt erklärt, er habe die Öffentlichkeit richtig informiert. Sein Staatssekretär aber, der im Auftrag des Ministers das Parlament unterrichtet, verlor über die näheren Umstände kein Wort.

Ein Feldjägerbericht der Bundeswehr kommt zu dem Schluss, dass der Tod des Hauptgefreiten „aller Wahrscheinlichkeit“ nach „ein Unfall“ war. In dem Bericht soll es eine Reihe von Zeugenaussagen von Soldaten geben, die in dem Zelt während des Zwischenfalls anwesend waren. Aus einer ergebe sich der Hinweis, dass einer der Anwesenden mit der Waffe herumgespielt haben könnte, als der tödliche Schuss fiel. Andere erklärten, sie hätten telefoniert, sich mit dem Computer beschäftigt oder Waffen gereinigt, als es einen Knall gegeben habe.

Guttenberg selbst soll den Feldjäger- Bericht erst am Donnerstag erhalten haben. Dies gab Ministeriumssprecher Steffen Moritz am Freitag in Berlin zu. Der Minister habe „wesentliche Teile“ des Berichts aber bereits gekannt, sagte Moritz weiter. Als Guttenbergs Staatssekretär Thomas Kossendey am Mittwoch dem Verteidigungsausschuss in dieser Frage Rede und Antwort stand, wusste der nach Angaben aus Teilnehmerkreisen nichts von der Existenz dieses Berichts.

Worum geht es bei den Vorwürfen

über geöffnete Feldpost?

Bereits am Dienstag war bekannt geworden, dass Post von Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan auf dem Weg nach Deutschland geöffnet worden war. Nach einem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) kamen die Briefe der Soldaten in der Heimat teilweise mit Inhalt, aber geöffnet, und teilweise auch ohne Inhalt an. Das Verteidigungsministerium erklärte am Freitag, diese Briefe seien nicht von der Bundeswehr, sondern von einem privaten Vertragspartner transportiert worden. Damit solle aber „nichts angedeutet“ werden. Bislang hätten sich 15 Soldaten als Betroffene gemeldet. Insgesamt werde von 20 Fällen geöffneter Post ausgegangen. Nach Angaben des Ministeriums gibt es derzeit keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Fall des getöteten Soldaten. Am Vortag hatte es Gerüchte gegeben, es handele sich um Briefe von Soldaten, die zuvor im Zusammenhang mit dem Tod des 21-Jährigen von Feldjägern befragt worden waren.

Was droht bei der Gorch Fock?

Im November war eine 25-jährige Offiziersanwärterin auf der Gorch Fock aus der Takelage in den Tod gestürzt. Wie der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt am Freitag mitteilte, sei sie nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen nicht unter Druck gesetzt worden. Der Staatsanwaltschaft liege kein Hinweis auf eine strafrechtliche Nötigungshandlung vor. Gegen vier Kadetten steht gleichwohl, einem Bericht des Wehrbeauftragten zufolge, nun der Vorwurf der Meuterei im Raum: Trauernde Kameraden sollen gedrängt worden sein, in die Masten zu klettern, obwohl sie das nach dem Unglück nicht wollten. Besatzungsmitglieder warfen Vorgesetzten Versagen vor. Jetzt sind Ermittler der Marine am Zug. Ein Team soll am Donnerstag in Ushuaia in Argentinien ankommen, wo der Dreimaster liegt. FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff sagte, „wenn sich die Vorwürfe aus den Ermittlungen des Wehrbeauftragten bewahrheiten, und ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dann, mit Verlaub, ist das ein Führungsversagen und sollte disziplinarische Konsequenzen haben“.

Ein deutlicher Wink in Richtung Minister. Der wird verstanden haben.

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