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Berlin - Paris: Streit über Nuklearwaffen in der Nato droht

Zwischen Berlin und Paris droht Streit über Nuklearwaffen der Nato-Staaten. Sarkozy will nicht vollständig auf Atomwaffenverzichten.

Berlin - Der Slogan hört sich gut an. „Global Zero“ („Weltweit Null“) steht für das Ziel, die Zahl der global stationierten Atomwaffen auf Null zu reduzieren. Es war eine „Vierer-Bande“ profilierter amerikanischer Politiker, darunter der ehemalige Außenminister Henry Kissinger, die im Januar 2007 im „Wall Street Journal“ einen kraftvollen Abrüstungs-Appell veröffentlichten. US-Präsident Barack Obama nahm die Initiative anschließend auf und plädierte gut zwei Jahre später in seiner Rede in Prag ebenfalls für eine atomwaffenfreie Welt. Doch jetzt kommt es zur Nagelprobe: Beim Nato-Gipfel im November in Lissabon will das Bündnis sein neues strategisches Konzept beschließen – und inzwischen zeichnet sich ab, dass sich in dem Dokument der Ruf nach kompletter weltweiter Nuklearabrüstung bestenfalls am Rande wiederfinden wird.

Dass die Nuklearwaffen auch nach dem neuen strategischen Konzept zum unverzichtbaren Bestandteil der Nato gehören werden, ließ sich am Freitag deutlich aus einer Rede des Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen beim German Marshall Fund in Brüssel heraushören. Das Militärbündnis folge zwar grundsätzlich der Überzeugung Obamas, wonach eine Welt ohne Atomwaffen erstrebenswert sei, sagte Rasmussen. Von einseitiger Abrüstung wollte der Nato-Chef aber nichts wissen: „Solange es Nuklearwaffen in der Welt gibt, muss die Nato auch Nuklearwaffen behalten.“ Dies lässt sich als Absage an Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verstehen, der einen Abzug der taktischen US-Atomsprengköpfe aus Deutschland gefordert hatte.

Noch wird über den endgültigen Wortlaut des neuen strategischen Konzepts unter den 28 Nato-Staaten hinter den Kulissen gefeilscht; am kommenden Donnerstag wollen die Außen- und Verteidigungsminister des Bündnisses in Brüssel über das Konzept beraten. Wenn darin von „Global Zero“ nur am Rande oder gar nicht die Rede sein sollte, dürfte wohl selbst Obama keine allzu großen Probleme damit haben. Denn vor der Kongresswahl am 2. November will der US-Präsident nicht noch mehr an Zustimmung verlieren – eine Debatte um eine Einschränkung des nuklearen US-Drohpotenzials könnte da nur schaden.

In der Bundesregierung zeigt man sich mit dem bisher vorliegenden Entwurf für die Strategie der Nato trotzdem zufrieden. Anders als in dem alten Konzept aus dem Jahr 1999 würden in der neuen Strategie Abrüstung und Rüstungskontrolle erwähnt, heißt es zu Begründung.

Umstritten bleibt aber, wie konkret die Vision der langfristigen Reduzierung von Nuklearwaffen im neuen strategischen Konzept festgeschrieben werden soll. Aus deutscher Sicht ist es nur logisch, das Ziel der Abrüstung im Dokument zu verankern, zumal die Nato ein Raketenabwehrsystem vorantreibt, in das Russland eingebunden werden könnte. Doch der Ruf der Bundesregierung nach einer deutlichen Verringerung der Atomwaffen könnte im Bündnis vor der endgültigen Verabschiedung der Strategie noch zu Konflikten führen – und zwar ausgerechnet mit dem Erzverbündeten Frankreich. Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin geht nicht davon aus, dass Paris den Wunsch nach nuklearer Abrüstung ohne Weiteres mittragen würde: „Die Franzosen sehen den Besitz von Nuklearwaffen als Merkmal ihrer Großmachtstellung“, sagt der SWP-Experte.

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hält sich zugute, dass er 2008 angekündigt hatte, die Zahl der Atomsprengköpfe in Frankreich auf unter 300 zu reduzieren. Was er vom Ziel einer völlig nuklearwaffenfreien Welt hält, hat er bereits im April am Rande eines Abrüstungsgipfels in Washington deutlich gemacht. „Ich werde nicht auf die Atomwaffe verzichten, die die Sicherheit meines Landes garantiert“, sagte Sarkozy damals.

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