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Berlin - Warschau: Polens chinesische Autobahn

Ein Staatskonzern aus China baut Teile der Trasse zwischen Berlin und Warschau. Die Anwohner begrüßen das.

Das Café „Zum netten Eck“ ist verriegelt, der Lebensmittelladen „Yogi“ ebenso. Im Bauerndorf Wiskitki, 50 Kilometer westlich von Warschau, deckt man sich eher bei den Marktfahrern auf dem nahen Parkplatz ein. Neben einheimischen Äpfeln und Pilzen werden hier auch chinesische Textilien und Plastikwaren feilgeboten. Doch von der nächsten Etappe der Globalisierung ist wenig zu spüren. „Chinesen habe ich hier noch keine gesehen“, brummt ein Einheimischer. Auf einem Feld hinter dem Friedhof jedoch hat ein von der China Overseas Engineering Group (Covec) geführtes Konsortium die ersten Bagger auffahren lassen. In wenigen Tagen soll von Wiskitki aus der Bau eines 20 Kilometer langen Abschnitts der Autobahn A2 zwischen Berlin und Warschau beginnen.

Es ist das erste Mal, dass ein solches Großprojekt in der EU an einen chinesischen Konzern vergeben wurde. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft hat gerade davor gewarnt, dass China in Osteuropa seine Vormachtstellung ausbaut. Vor Jahresfrist hatte die Bauvergabe für einen Aufruhr in der polnischen, deutschen und europäischen Straßenbaulobby gesorgt. Die chinesische Staatsfirma Covec hatte in ihrer Offerte die Preisvorgabe des polnischen Straßenbauamtes um 60 Prozent unterschritten und damit den Zuschlag für zwei Abschnitte von insgesamt fünf bekommen.

Die Konkurrenz spricht seitdem von Dumpingpreisen, Qualitätsmängeln, Billiglöhnen und einer drohenden Flut chinesischer Wanderarbeiter. Doch Covec-Vertreter weisen darauf hin, dass man vor allem mit polnischen Subunternehmern zusammenarbeiten werde und auch die Chinesen den polnischen Mindestlöhnen unterworfen seien. „Die chinesische Autobahn ist eine große Hoffnung für unsere Gemeinde“, sagt der Gemeindevorsteher Franciszek Miastkowski. Die staugeplagte 9500-Einwohner-Gemeinde hat Land für Fabriken und Lagerhallen bereitgestellt. Bei einer Arbeitslosenquote von knapp zehn Prozent täten auch Jobangebote der Chinesen gut. „Die Chinesen wollten 30 Ingenieure bei mir unterbringen“, erzählt Piotr Feder, Manager des Hotels „Kuznia“ im nahen Nowa Wies. Unweit seines Reithotels hatten Polen im Sommer einen Viadukt der nie beendeten sowjetischen Olympia-Autobahn nach Moskau gesprengt, um Platz für die neue Autobahn zu machen. „Die Chinesen sollen uns diese Autobahn nur bauen“, erklärt ein lokaler Berufsfahrer, „denn wenn die Polen Straßen bauen, gibt es doch nach einem Jahr bereits wieder Löcher im Asphalt.“

Die Vorarbeiten sind fast beendet. In einem Einfamilienhaus in Zyrardow wartet die Außenstelle der Warschauer Covec-Zentrale auf die letzte Baubewilligung. Etwa zwei Dutzend Chinesen sitzen in einem Büroraum am Laptop. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagt der polnische Vize-Abschnittsleiter Robert Piatek. Im Moment habe er rund hundert Chinesen in seinem Team von Ingenieuren. „Es gibt keine Pläne, in diesem Stadium chinesische Bauarbeiter einzustellen“, sagt er. Covec könne vor allem wegen des chinesischen Kapitalüberschusses günstiger bauen als die Konkurrenz. Teure Zinsen würden so entfallen. „Bestimmt wollen auch wir Gewinn machen, wenn auch vielleicht nur einen kleinen“, sagt der Manager Tan Honghua. Zwischen Maisfeldern außerhalb von Wiskitki zeigt der polnische Covec-Bauleiter Pawel Liskiewcz stolz eine schweizerische Walze sowie zwei deutsche Bagger. Bald würden hier Dutzende davon stehen, schwärmt Liskiewcz, der bis zu 1500 Mann vor allem aus der Umgebung im Bau einsetzen will. Noch nie habe er mit Ingenieuren zusammengearbeitet, die wirklich zuhörten anstatt alles besser zu wissen, lobt er die Chinesen.

Im Dorf Lyszkowice auf der anderen Seite des Bolimowski-Urwalds wohnt seit diesem Sommer ein gutes Dutzend chinesischer Ingenieure. „Diese Chinesen sind so höflich“, lobt die 80-jährige Pani (Frau) Helena. „Viele von denen sind besser als manche Polen.“

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