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Michael Müller

© ddp

Berliner SPD-Chef Müller: "Wir müssen einen Zahn zulegen"

Der Chef der Berliner SPD, Michael Müller, über Kampfeswillen im Bundestagswahlkampf und die Zukunft Klaus Wowereits

Herr Müller, ist die SPD auf dem Weg zu einer 20-Prozent-Partei?



Wie kommen Sie denn darauf?

Werfen Sie doch einmal einen Blick auf die aktuellen Umfragen!

Die Umfragen für die SPD sind nicht schön, das muss ich zugeben. Aber wir werden noch zuspitzen und dann werden die Unterschiede zwischen uns und den anderen Parteien noch deutlicher werden. Wir müssen wegkommen von dieser Einheitssoße, von dem falschen Eindruck, dass alle Parteien nur das Gleiche bieten würden.

Warum ist Sigmar Gabriel mit seiner Zuspitzung der Atomdebatte in der SPD auf weiter Flur alleine?

Es stimmt ja nicht, dass niemand außer Sigmar Gabriel kämpft. Richtig ist aber: Wir müssen einen Zahn zulegen. Das gilt für die Parteispitze genau so wie für die Genossinnen und Genossen an der Basis. Unser Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat in den vergangenen Wochen in dieser Hinsicht deutlich zugelegt. Denken Sie zum Beispiel an seine Parteitagsrede. Und er wird es noch weiter tun.

Woher kommen dann die schlechten Umfragewerte?

Wir haben ein hartes und schweres Umfeld. Besonders ernüchternd war für uns das Europawahl-Ergebnis. Das hat Schwung gekostet, den müssen wir wieder aufholen. Dazu werden wir die Sommerpause nutzen. Wir werden Mitte August mit vollem Dampf loslegen.

Wie wollen Sie überzeugen?

Wir sind die politische Kraft, die für Chancengleichheit und Gebührenfreiheit in der Bildungspolitik von der Kita bis zur Hochschule steht. Wir sind diejenigen, die eindeutig am Atomausstieg festhalten. Wir sind diejenigen, die für ein gerechtes Steuersystem stehen, wir machen keine unseriösen Entlastungsversprechen. Das entspricht unserer Idee einer solidarischen Gesellschaft. Wir sind diejenigen, die auch in Zeiten der Krise die Arbeitnehmerrechte garantieren. Und wir sind diejenigen, die für den Mindestlohn kämpfen.

Wie stark setzt die SPD im Wahlkampf auf das Thema Bildung?

Die SPD steht gerade in Zeiten des Umbruchs und der Krise auch für Sicherheit. Die zentrale Frage der Bundestagswahl lautet: Wem trauen die Menschen zu, dass er für eine sichere wirtschaftliche Zukunft sorgt? Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Bildungspolitik gehören zusammen. Wir müssen heute ausbilden, Chancen und Perspektiven bieten, damit in zehn oder 15 Jahren die Menschen sich wirtschaftlich behaupten können. Sozialdemokratische Politik grenzt nicht aus, sondern führt zusammen und garantiert Chancen, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

Wer verkörpert in der SPD diese Bildungspolitik?

Das ist doch keine Aufgabe von ein oder zwei Leuten. Die Bildungspolitik verkörpern wir alle.

Überzeugen Botschaften im Wahlkampf nicht stärker, wenn Menschen sie erklären, die sie durch ihre Biografie oder ihre Leistung glaubwürdig machen?

Das mag sein. Wir haben in Partei und Fraktion auch fähige Köpfe, die das verkörpern. Im Wahlkampf wird das herausgestellt. Aber ich stelle hier kein Schattenkabinett zusammen.

Gehört Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zum Schattenkabinett?

Das wäre eine abseitige Vorstellung. Ein Regierender Bürgermeister bewirbt sich nicht um irgendein Ministeramt. Warum sollte er das tun, wenn er Ministerpräsident der deutschen Hauptstadt ist?

Würde es dem Wahlkampf der SPD helfen, wenn Klaus Wowereit darin eine herausgehobene Rolle spielen würde?

Diese herausgehobene Rolle hat er schon heute. Die Partei weiß, wie beliebt er ist. Er hat weit mehr Anfragen für Auftritte aus der SPD, als er bewältigen kann.

Die Berliner SPD ist ein ausgesprochen linker Landesverband …

Das kann man wohl sagen …

Was erwarten Sie und Ihr Landesverband vom Wahlkampf der Bundespartei?

Wenn die SPD bei der Bundestagswahl Erfolg haben will, muss sie im Wahlkampf härter zuspitzen: Wir stehen als einzige Partei für eine gerechte und solidarische Gesellschaft. Und das muss an mehreren Punkten deutlich werden. Viele Sozialdemokraten fürchten, dass wir uns im Bündnis mit der Union verschleißen und das eigene Profil verlieren. Es muss klar sein, dass die SPD auf Mehrheiten jenseits der großen Koalition hinarbeitet. Es gibt da immerhin zwei Möglichkeiten: Rot-Grün und die Ampel-Koalition mit SPD, FDP und Grünen.

Die Grünen sind Wunschpartner der SPD, nicht auch Konkurrent?

Mit Sicherheit könnten wir uns mit den Grünen auf einen sehr guten Koalitionsvertrag verständigen. Aber natürlich sind auch die Grünen unser politischer Gegner. Es war ein Fehler, dass die Bundes-SPD die Grünen im Europawahlkampf geschont hat und nur Union, FDP und Linkspartei angegriffen hat. Das darf sich nicht wiederholen. Die Grünen vertreten in der Wirtschafts und Finanzpolitik teilweise eins zu eins FDP-Positionen. Wir haben keine Stimme zu verschenken.

Ist Rot-Rot-Grün im Bund im Herbst wirklich keine Alternative?

Nein. Da steht die SPD zu ihren Beschlüssen. 2009 geht das nicht. Danach werden wir schauen, wie sich die Linkspartei im Bund entwickelt. Wenn sie sich nicht grundlegend inhaltlich und personell ändert, geht es auch 2013 nicht. Aber jetzt ist es wichtig, Alternativen zur großen Koalition zu finden.

In zwei Jahren wird in Berlin gewählt. Ist der Wahlsieg 2011 die Voraussetzung dafür, dass Wowereit die SPD 2013 in den Bundestagswahlkampf führen kann?

Wir schauen jetzt auf die Bundestagswahl 2009 und kämpfen für den Erfolg von Frank-Walter Steinmeier. Welche Entscheidungen 2013 anstehen, weiß heute kein Mensch. Aber richtig ist, eine eigene starke Basis und gewonnene Landtagswahlen sind eine gute Voraussetzung, um auf Bundesebene eine wichtige Rolle zu spielen.

Ist Ihnen bange, dass Wowereit der Ruf aus der Bundespartei schon nach der Wahl ereilen könnte?

Wie gesagt, darum geht es nicht. Jetzt kommt erst mal die Bundestagswahl. Im übrigen hat Klaus Wowereit längst eine herausgehobene Position in der Bundespartei. Wir sind die Regierungspartei der Hauptstadt und leiden nicht an mangelndem Selbstbewusstsein. Unser wichtigster Vertreter gehört natürlich zu den Politikern, die in der ersten Liga mitspielen. Daran kann es keinen Zweifel geben.

Wie passt es zu diesem Selbstbewusstsein, dass die Beliebtheitswerte Wowereits sinken, weil er lustlos regiert und sich auf Landesebene zu wenig engagiert?

Dieser Vorwurf wird durch häufige Wiederholung nicht richtiger. Die Politik ist nicht nur in Berlin, sondern bundesweit in schwierigem Fahrwasser. Die Bürger werden durch die Finanz- und Wirtschaftskrise erheblich belastet, es gibt Einschnitte und Veränderungen. Die staatlichen Einnahmen brechen weg. Es gibt natürlich keinen Rückenwind, wenn wir nach Jahren einer harten Sparpolitik den Berlinern nun sagen, wir müssen den öffentlichen Haushalt weiter konsolidieren. Es ist eine Folge der Krise, dass es nicht so schnell vorangeht, wie viele erwartet haben.

Aber Wowereit ist nicht mehr das große Zugpferd der Berliner SPD.

Wie bitte? Er ist und bleibt die Nummer eins in Berlin, mit seiner gewinnenden Art auf die Menschen zuzugehen und wie er die wichtigen Themen besetzt. Er ist überall im Stoff, er kennt alle Zahlen. Er kennt die Stadt.

Trotzdem nähert sich die Berliner SPD in den Umfragen den Umfragewerten der CDU, die ja keine starke Opposition darstellt. Wie kommt das?

Da kommen mehrere Sachen zusammen. Neben dem Bundestrend gibt es auch landespolitische Gründe. Wir haben große und wichtige Reformen in Angriff genommen, für die wir alle besser werben müssen. Das Beispiel Schulreform macht deutlich, dass es nach anfänglichem Gegenwind jetzt viel Unterstützung gibt. Erklären und werben ist unsere Aufgabe. 2011 wird abgerechnet, bis dahin werden wir viele Probleme gelöst haben und vernünftige Wahlergebnisse einfahren.

Es heißt, Sie selbst seien ehrgeizig und wollten Senator werden. Bleiben Sie bis 2011 SPD-Fraktions- und Landeschef?

Ja, natürlich. Es gibt doch nichts Schöneres.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger, Hans Monath und Ulrich Zawatka-Gerlach.

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