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Politik: Berner Parlament blockt Rechtspopulisten

Schweizerische Volkspartei verliert im Kampf um einen größeren Einfluss in der Regierung.

Als die Pleite der Schweizerischen Volkspartei (SVP) feststand, verlor ihr Anführer die Fassung. „Weg da“, herrschte Christoph Blocher am Mittwoch die wartenden Journalisten im Berner Bundeshaus an. Der Milliardär Blocher, Strippenzieher seiner Partei, kochte. Zuvor hatten die beiden Parlamentskammern seiner SVP den angestrebten zweiten Sitz in der Regierung verwehrt. Linke, Liberale und auch moderate Konservative machten gemeinsame Sache: Sie verhinderten bei den geheimen Wahlgängen für die Regierungssitze einen Machtzuwachs der EU-feindlichen SVP. Gegner der Volkspartei wie die Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Ursula Wyss, jubelten über den „Freudentag“.

SVP-Präsident Toni Brunner räumte die Niederlage ein und warnte im Schweizer Fernsehen davor, dass sein Land nun quasi beinahe von einer Mitte-links-Koalition regiert werde. Der erneut von der SVP gestellte Verteidigungsminister werde im Bundesrat zwar geduldet. „Man lässt uns aber nur drin, damit man uns vorführen kann“, erklärte Brunner.

Die Abfuhr markiert einen weiteren Nackenschlag für die einst so erfolgsverwöhnte Schweizerische Volkspartei. Jetzt debattieren die zerknirschten Nationalkonservativen über den Auszug aus der Regierung. Ende Januar könnte eine Entscheidung fallen. Zöge sich die SVP tatsächlich zurück, wäre das Schweizer System der Konkordanzdemokratie am Ende. Nach den Regeln der Konkordanz sollen alle maßgeblichen politischen Kräfte, alle Sprachgruppen und alle Landesteile in der Regierung, dem Bundesrat, vertreten sein.

Zunächst aber bleibt im siebenköpfigen Bundesrat die Partei-Zusammensetzung die alte: Die Sozialdemokraten (SP) und die liberalen Freisinnigen (FDP) stellen jeweils zwei Bundesräte. Die Christlichdemokratischen (CVP), die Bürgerlich Demokratische Partei (BDP) und die SVP dürfen jeweils ein Parteimitglied an den Kabinettstisch schicken. Im neuen Bundesrat sitzen: Simonetta Sommaruga und Alain Berset (beide SP), Didier Burkhalter und Johann Schneider-Ammann (beide FDP), Eveline Widmer- Schlumpf (BDP), Doris Leuthard (CVP) und Ueli Maurer (SVP).

Um den schwarzen Tag für die SVP komplett zu machen, kassierte sie auch eine Schlappe bei der Wahl zum Bundespräsidenten. Nur 32 Abgeordnete stimmten für den SVP-Parteisoldaten Ueli Maurer. Seine Gegenkandidatin, Eveline Widmer-Schlumpf, errang 174 Stimmen. Die Gewählte ist ausgerechnet jene frühere SVP-Rebellin, die 2007 in einer Kampfabstimmung den SVP-Übervater Blocher aus der Regierung drängte. Die Anhänger Widmer-Schlumpfs feierten den Sieg ihrer Favoritin so, wie sonst die SVP ihre Triumphe feiert: mit dem Geläut von Kuhglocken.

Die SVP-Pleiten vom Mittwoch zeichneten sich seit Wochen ab. Bei den Parlamentswahlen im Oktober rutschte die SVP auf 26,6 Prozent. Vor vier Jahren errang die Partei noch ein Rekordergebnis von 28,9 Prozent.

Zwar blieb auch die gerupfte SVP stärkste politische Kraft der Eidgenossenschaft. Aber der Nimbus des Dauerwahlgewinners war dahin. Unter vielen Parlamentariern der gemäßigten Regierungsparteien verschärfte sich zudem die Antipathie gegen die SVP. Die Blocher- Truppe, die mit ausländerfeindlichen Parolen und ruppiger Rhetorik die Wahlkämpfe dominiert, sollte einen Denkzettel erhalten. Auch leistete sich die SVP böse Schnitzer bei der Aufstellung ihrer Kandidaten für die Regierung. Einer der Nominierten, Bruno Zuppiger, geriet durch eine Erbschaftsaffäre in die Schlagzeilen. Die SVP-Führung musste Zuppiger zurückziehen. Die Gegner der SVP höhnten: Wem man keine Erbschaft anvertrauen könne, dem könne man auch kein Land in die Hände geben.

Jan Dirk Herbermann

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