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Der neue Auto-Präsident. Bernhard Mattes (l.) folgt am 1. März auf Matthias Wissmann an der Spitze des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Neuer VDA-Präsident: Bernhard Mattes übernimmt das Steuer

An der Spitze des Autoverbandes VDA folgt Bernhard Mattes auf Matthias Wissmann. Was auf den früheren Chef der deutschen Ford-Werke jetzt zukommt.

Die Narrenkappe trägt Deutschlands mächtigster Lobbyist mit Humor. Bernhard Mattes, der am Donnerstag neuer Präsident des Autoverbandes VDA wird, ist ein Saison-Karnevalist. Zumindest war er das, als er noch als Vorsitzender der Geschäftsführung der Kölner Ford-Werke amtierte. Der Autohersteller liefert seit fast 70 Jahren die Fahrzeuge für das Festkomitee und die Bagagewagen des Rosenmontagszuges. Letzterer sei auch für ihn persönlich „ein besonderer Höhepunkt“, sagte Mattes vor Jahren, als ihm der „Zuglorbeer in Silber“ überreicht wurde, eine Ehrung der Kölschen Jecken.

In Berlin wird der gebürtige Wolfsburger seinen Humor brauchen können. Mattes, bei Ford noch im Aufsichtsrat und derzeit Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham), tritt seinen VDA-Posten in ernsten Zeiten an. Die Automobilbranche mit ihren rund 800 000 Beschäftigten hat mit dem Diesel-Skandal ihren Ruf ramponiert, die Industrie kämpft gegen Fahrverbote, Diesel-Nachrüstungen und einen Vertrauensverlust. Mattes’ Vorgänger, Matthias Wissmann (68), hat es nach mehr als zehn Dienstjahren zuletzt nicht mehr vermocht, die Stimmung zu drehen – trotz seiner Kontakte in die Politik. Im Gegenteil: Selbst innerhalb des Verbandes kam es in den vergangenen Monaten zu Auseinandersetzungen zwischen den starken Herstellern BMW, Daimler und Volkswagen. Es wurde Zeit für einen Tapetenwechsel.

Viel Zustimmung, große Erwartungen

Einstimmig wählte der VDA-Vorstand Ende Januar Bernhard Mattes, andere Kandidaten gab es nicht. Mit viel Rückendeckung zieht er deshalb in die VDA-Zentrale in der Berliner Behrenstraße ein. Dort hatte Mattes schon einmal bis Januar 2017 im Vorstand gesessen. Politiker, Branchenvertreter, Weggefährten, Sozialpartner – alle halten den 61-Jährigen für eine gute Wahl für das schwierige Amt. Aber nicht nur die Zustimmung, auch die Erwartungen sind groß.

„Es muss ein neuer Wind im Verband wehen“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM). „Diesen Maßstab muss man nach den Skandalen anlegen.“ Die wichtigste Aufgabe für Mattes bestehe darin, der Öffentlichkeit und der Politik ein neues Gefühl dafür zu geben, „wie sehr sich die Automobilbranche wandelt“, sagt Bratzel. Dass er nach allem, was vorgefallen ist, in Berlin und Brüssel dabei keine offenen Türen mehr einrennt, weiß Mattes. „Glaubwürdigkeit muss sein erstes Ziel sein“, sagt Bratzel. Auch, weil die Branche bei den anstehenden Regulierungsfragen – Fahrverbote, CO2- und NOx-Grenzwerte – vor wichtigen Weichenstellungen steht. Moderator nach außen, Integrator nach innen, der Neue muss beides können.

Mattes soll nach innen integrieren und nach außen moderieren

Im VDA sind 600 Unternehmen organisiert, die Autos, Anhänger, Aufbauten, Busse sowie Kfz-Teile und -Zubehör produzieren und in 50 Arbeitskreisen zusammenarbeiten. Eine Vielfalt, die sich in der Vergangenheit nicht immer harmonisch unter dem Verbandsdach bündeln ließ. Mit dem Zoff unter den Herstellern, die in der Dieselkrise, nach Kartellvorwürfen oder im politischen Diskurs intern aneinander geraten sind, ist die Aufgabe nicht leichter geworden. Die Industrie wertet Mattes’ Wahl denn auch als „Signal nach innen“, die zeige, „wo der VDA die größten Probleme sieht und wo Mattes Akzente setzen muss“. Den Anfang machte er noch vor seiner Wahl, als er sich in einem Interview gegen eine Erhöhung der Diesel- Steuer aussprach – und damit gegen einen Vorschlag von VW-Chef Matthias Müller.

Hilfreich für das Selbstbewusstsein des neuen Auto-Präsidenten dürfte sein, dass er aus der Branche kommt, keine politische Vergangenheit hat und über ein unkompliziertes Naturell verfügt. „Mattes ist ein Teamplayer, kein Star“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR). Schon als Ford-Chef in Köln habe Mattes „Fingerspitzengefühl und Diplomatie“ gezeigt. „Er hat Bodenhaftung, mit ihm kann man reden.“ Bei den Ford-Werken, die der Diplom-Ökonom von 2002 bis 2016 führte, bestätigt man das. „Mattes kann mit dem Blaumann am Band genauso reden wie mit den oberen Zehntausend“, sagt ein Aufsichtsrat. Jubilaren habe der Chef meist so eloquent gratuliert, „dass sich die Leute sehr persönlich angesprochen fühlten“. Zugewandt, angenehm, unkompliziert – viele haben Bernhard Mattes so im persönlichen Gespräch erlebt. Und auf der Bühne mit diplomatischem Geschick, wenn es ein muss in fließendem Englisch, mit einem tiefen Verständnis für die Belange der Automobilbranche.

"Mattes kann Leute wirklich motivieren"

Das fing früh an im Leben von Bernhard Mattes. 1956 in Wolfsburg geboren prägt ihn sein Vater, der leitender Angestellter bei Volkswagen war. Das Interesse für Autos blieb. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, das er 1982 abschloss, ging Mattes zu BMW, wo er im Vertrieb Karriere machte – zuletzt als Deutschlandchef des Bereichs. 17 Jahre hielt es ihn bei BMW. Dann wechselte er 1999 zur deutschen Tochter des US-Autobauers Ford. Drei Jahre später war er Vorstandsvorsitzender der Deutschland-Niederlassung und blieb es bis Ende 2016, als er in den Aufsichtsrat wechselte.

In Köln bewies Mattes, dass er krisenfest ist. Der von der US-Zentrale gesteuerte Umbau der Ford-Werke war mit Stellenabbau, Rationalisierungen und Kostendruck verbunden – und am Ende dennoch erfolgreich. Anders als Opel hat Ford die Wende geschafft. „Er hat sich in den Kölner Netzwerken gut zurechtgefunden, ist auf alle Zielgruppen zugegangen und hat auch die politische Klaviatur beherrscht“, erinnert sich ein Arbeitnehmervertreter. „Mattes kann Leute wirklich motivieren.“

Umweltverbände sind skeptisch

Anders als sein Vorgänger Wissmann ist Mattes ein „Car Guy“, einer auf Augenhöhe mit den anderen Autobossen, wenn auch nicht aus deren innerem Kreis der großen deutschen Marken. Umweltverbände fürchten, dass diese Nähe ihnen den Zugang zu Mattes erschwert. Gerd Lottsiepen vom ökologischen Verkehrsclub VCD erinnert sich an die Diskussion um die Einführung von Rußpartikelfiltern bei Diesel-Fahrzeugen. „Das war eine enttäuschende Erfahrung, Mattes hat da kein Rückgrat bewiesen“, sagt Lottsiepen. Ford-Deutschland habe sich seinerzeit von der US-Zentrale „zurückpfeifen lassen“. Am Ende kamen die Dieselfilter dennoch. Die Zeiten ändern sich.

„Eine spannende und schnelle Zeit“, wie Mattes in einem Interview sagte. Die Mobilität der Zukunft müsse so gestaltet werden, „dass die Kunden zufrieden sind, die Rahmenbedingungen etwa der Umweltbelastung eingehalten werden, und das alles technisch so dargestellt, dass es noch profitabel ist“. Ein anspruchsvolles Programm für den neuen Oberlobbyisten, der zwar nicht die Handy-Nummer der Kanzlerin kennt, aber mit der Hoffnung auf einen Neustart an die VDA-Spitze rückt. Weniger Zeit wird der sportlich Interessierte und Aktive für seinen Lieblingsclub 1. FC Köln haben, in dessen Beirat er sitzt, unter anderem neben SPD- Noch-Chef Martin Schulz oder Wolfgang Bosbach von der CDU. Block West 5, Reihe 20, Platz 1 und 2 – hier verfolgt FC- Fan Mattes gerne zusammen mit seiner Frau ein Spiel. Und wenn die Zeit gekommen ist, trägt er wenn nötig das Karnevalstrikot des Fußballclubs. Mattes: „Da sind Narrenkappen in den Stoff eingewebt.“

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