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Politik: Beschämender als der Marsch durchs Tor (Kommentar)

Die Aufregung scheint sich nur langsam zu legen. Der Marsch von 700 Rechtsextremisten durch das Brandenburger Tor hat massive Reaktionen provoziert - selbst die Bundesregierung ließ mitteilen, der braune Protest gegen den Bau des Holocaust-Mahnmals sei "pervers und beschämend" gewesen.

Von Frank Jansen

Die Aufregung scheint sich nur langsam zu legen. Der Marsch von 700 Rechtsextremisten durch das Brandenburger Tor hat massive Reaktionen provoziert - selbst die Bundesregierung ließ mitteilen, der braune Protest gegen den Bau des Holocaust-Mahnmals sei "pervers und beschämend" gewesen. Und Berlins Innensenator nahm die Gelegenheit wahr, erneut laut über die Einschränkung des Versammlungsrechts nachzudenken. Aber was ist tatsächlich passiert? Dass Neonazis mit wehenden Fahnen und Parolen wie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" auf den Lippen durch die Straßen stiefeln, lässt sich inzwischen jedes zweite Wochenende besichtigen. Üblicherweise regt sich kaum noch jemand auf. Weit gravierendere Taten werden oft überhaupt nicht wahrgenommen - wie die nach wie vor zahlreichen Angriffe auf Ausländer, Linke, Punks, Obdachlose, Homosexuelle und andere Opfer, die bei den Rechten als "undeutsch" gelten. In den Zahlen des Bundeskriminalamtes für 1999 tauchen 313 Verletzte auf. Nur ein Bruchteil dieser Schicksale wird bekannt, und selbst dann ist die öffentliche Reaktion meist kaum mehr als ein Schulterzucken. Auch die Bundesregierung gibt zu solchen Vorfällen in der Regel keine Erklärungen ab. Das rot-grüne Kabinett hat es nicht einmal für nötig gehalten, das im Koalitionsvertrag 1998 angekündigte Bündnis für Toleranz und Demokratie Realität werden zu lassen. Ist das nicht beschämender als der Marsch durchs Tor?

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