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Wen

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Besuch aus China: Export verbindet

China und Deutschland wollen gemeinsam gegen die Krise vorgehen – und Verstimmungen vergessen.

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Berlin - Wenn die Kanzlerin einem Staatsgast außergewöhnlich viel Zeit gewährt, sind drei Erklärungen denkbar: Die Beziehungen sind besonders gut, besonders kompliziert oder besonders wichtig. Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hat am heutigen Donnerstag gleich drei Termine mit Angela Merkel, und das aus mindestens zweien dieser Gründe. In Zeiten der Weltwirtschaftskrise sind die Interessen der Exportnationen Nummer eins und zwei noch enger miteinander verhakt als ohnehin schon. Für beide ist wichtig, dass die Weltwirtschaft rasch wieder in Gang kommt. Und für China ist es vielleicht sogar noch etwas wichtiger als für die Bundesrepublik.

Schon wenn sich Merkel morgens um acht für eineinhalb Stunden zum formlosen Frühstück mit Wen im Kanzleramt trifft, werden deshalb nach Einschätzung aus deutschen Regierungskreisen die Krise, ihre Folgen und deren Bewältigung im Mittelpunkt stehen. Das gilt auch für die offiziellen Gespräche am Mittag und das deutsch-chinesische Wirtschaftsforum am Nachmittag. China hat ein Rettungspaket von umgerechnet 450 Milliarden Euro aufgelegt, das in erster Linie Investitionen in Infrastruktur vorsieht – ein Feld für potenzielle Aufträge auch an deutsche Firmen. Aber auch unabhängig von der aktuellen Lage ist das Interesse der Führung in Peking an engen Kontakten mit Deutschland unübersehbar. In Berlin ist sorgsam registriert worden, dass amtliche chinesische Stellen im Vorfeld des Besuchs von Deutschland als „Schlüsselpartner in der Europäischen Union“ gesprochen haben. Dafür spricht auch Wens Reiseroute: Weltwirtschaftsforum Davos, Berlin, dann Brüssel, Madrid, London.

Chinas Hauptsorge in der gegenwärtigen Krise gilt nach Einschätzung von Fachleuten dem eigenen Wachstum. Ein jährlicher Zuwachs von etwa acht Prozent, heißt es, werde benötigt, um die enorme wirtschaftliche und soziale Dynamik in dem Milliarden-Volk beherrschbar zu halten. Im laufenden Jahr könnte diese kritische Marke gestreift, wenn nicht unterschritten werden. Die USA sind für Chinas Export mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt. Aber in Zeiten allgemeinen, weltweiten Abschwungs werden auch kleinere Märkte wie der europäische auf ganz neue Weise interessant.

Konkret geplant ist der Abschluss von fünf Handels- und Kooperationsabkommen – darunter die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zum Klimaschutz und ein gemeinsames Museumsprojekt: 2010 soll in Peking „Die Kunst der Aufklärung“ mit Bildern aus staatlichen Sammlungen in Berlin, Dresden und München gezeigt werden. Gehören solche Unterschriften zur Routine, fällt eine deutsch-chinesische Grundsatzerklärung aus dem Rahmen. Sie soll gemeinsame Ziele und Positionen zu globalen Fragen wie der Finanzkrise, Impulsen für das Wachstum und Umwelt-, Energie- und Klimafragen enthalten.

Die Vermutung, dass das gemeinsame ökonomische Interesse die kritischen Themen in den Hintergrund treten lassen werden, wird in der Bundesregierung ausdrücklich widersprochen. „Wie immer“ werde man auch das Problem des chinesischen Patenteklaus, die Frage der Menschenrechte und das Tibetproblem ansprechen. Nachdem China selbst mit Vertretern des Dalai Lama geredet hat, können das beide Seiten möglicherweise ohnehin etwas entspannter tun. Von den Verstimmungen um Tibet und dem Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt im Herbst 2007 gebe es nichts aufzuarbeiten, heißt es von deutscher Regierungsseite. Außenminister und SPD- Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der ebenfalls mit Wen zusammenkommen wird, sieht dies möglicherweise anders. Wie andere Politiker seiner Partei hatte Steinmeier Merkel seinerzeit wegen ihrer Haltung zu Tibet und dem Dalai Lama kritisiert. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, rät der Kanzlerin daher, sich beim Thema Tibet öffentlich zurückzuhalten: „Man muss nicht jeden Tag die gleichen Positionen neu formulieren.“ Auf chinesischer Seite dürfte das Interesse ohnehin gering sein, das Tibetthema aufzuwärmen.

Wens anschließender Besuch bei der EU in Brüssel soll schließlich nachholen, was im vergangenen Dezember versäumt wurde, als Peking den EU-China-Gipfel aus Ärger über eine Begegnung des damaligen EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy mit dem Dalai Lama abgesagt hatte. Nun möchte auch China den Streit hinter sich lassen. Wen wolle mit seiner Reise „das beiderseitige Verständnis und Vertrauen“ fördern, sagte die chinesische Außenamtssprecherin. „Rückschritte sind nicht das, was wir sehen wollen.“

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