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Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagt: "Die ganze Regierung hält am 40-Prozent-Ziel fest. Das geht schon gut." Am Mittwoch ist ihr Klimaaktionsprogramm im Kabinett.

© AFP

Die deutsche Klimapolitik: Bewährungsprobe für Ministerin Barbara Hendricks

Mit oder ohne Kohle? An dieser Frage entscheidet sich die Glaubwürdigkeit deutscher Klimapolitik. Am kommenden Mittwoch entscheidet das Bundeskabinett über das Klimaaktionsprogramm von Barbara Hendricks.

Am kommenden Mittwoch geht es für Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) um Glaubwürdigkeit, ihre eigene und die von ganz Deutschland. Am 3. Dezember soll Hendricks’ Klimaaktionsprogramm durch das Kabinett gehen. Damit soll das deutsche Klimaziel bis 2020 doch noch erreicht werden. Denn mit den bisherigen Beschlüssen und Programmen fehlen zu einer Treibhausgasminderung um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zwischen fünf und sieben Prozentpunkte. Diese Lücke soll das Programm schließen. „Das geht schon gut“, sagte Hendricks dem Tagesspiegel. „Die ganze Regierung hält am 40-Prozent-Ziel fest.“ Für Hendricks, die gelernte Finanzpolitikerin, ist das vor allem eine Rechenaufgabe: „Für 2050 hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt, 80 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen und noch 20 Prozent aus fossilen. Da ist es doch sinnvoll, sich einen Pfad dahinzulegen.“ Dabei gelte es „Brüche zu vermeiden“ für „die Unternehmen, die Arbeitsplätze und die Versorgungssicherheit“.

Schon vor Wochen hatte Hendricks klargestellt, dass das deutsche Klimaziel nur dann einzuhalten sein würde, wenn auch Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Derweil verkündete Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mehrfach: „Wir können nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen.“ In der vergangenen Woche nun präsentierte Gabriel eine Lösung, wie die Stromwirtschaft an der Erreichung des Klimaziels beteiligt werden soll. Bis 2020 sollen die Kohlekraftwerke 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) weniger ausstoßen, was die Branche aber ablehnt.

Greenpeace hält das Programm für unzureichend

Aus Sicht der Umweltverbände und der Opposition im Bundestag ist der Einstieg in den Kohleausstieg aber entscheidend für die deutsche Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik. Hubert Weiger, Präsident des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sagt: „Diese Wochen entscheiden über die Bilanz der Bundesumweltministerin.“ Der Umweltpolitiker Josef Göppel (CSU) erinnert daran, „dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel der Ministerin 2007, als er noch selbst Umweltminister war, das Ziel vorgegeben hat, das sie nun gegen seinen Widerstand erreichen soll“. Greenpeace ist überzeugt, dass das deutsche Klimaziel mit Gabriels Gesetzentwurf immer noch nicht erreicht wird. Greenpeace rechnet mit einem Mindest-Minderungsbeitrag der Stromwirtschaft von mindestens 55 Millionen Tonnen CO2, um das Klimaziel einzuhalten.

Hat Hendricks ihre Bewährungsprobe bestanden? Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Bärbel Höhn, findet zwar, dass Hendricks ihre Sache gar nicht schlecht macht. Vor allem lobt sie, wie viel Verständnis die Ministerin für die Abgeordneten habe. Aber: „Sie kriegt die Brosamen, die von Gabriels Tisch fallen. Sie ist Klimaministerin, aber überall bei den Maßnahmen sind die Entscheidungen schon gefallen – und zwar gegen den Klimaschutz.“ Das sieht der SPD-Umweltexperte Matthias Miersch naturgemäß anders. Er lobt Barbara Hendricks als „umweltpolitische Pragmatikerin“. Er finde das „erst einmal erfrischend“. Auch er sieht Hendricks im Streit um die Kohle in der „Bewährungsprobe“. Aber er findet: „Man darf sie nicht unterschätzen“. Mit ihrem Kurs „setzt sie“ in der aktuellen Auseinandersetzung „viel auf diese Karte“.

Hendricks' Kritiker sitzen in der CDU und bei der Linken

Das begeistert die CDU-Umweltexpertin Marie-Luise Dött weniger. Sie sagt: „Es ist wichtig, dass sie auch die Wirkungen der Klimapolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze im Blick behält. Es ist doch unbefriedigend, vom eigenen Wirtschaftsminister und Parteifreund korrigiert zu werden.“ Gabriel habe recht: „Klimapolitik darf nicht zulasten von Versorgungssicherheit und des Energiepreisniveaus gehen. In der aktuellen Phase der Energiewende kann man grundlastfähige Kraftwerke nicht einfach abschalten.“

Aus Sicht des Umweltexperten der Linken, Ralph Lenkert, ist Hendricks schon nach einem Jahr als Ministerin gescheitert. „Sie hat keine Durchsetzungskraft gegen Gabriel“, sagt er. Für den nationalen und internationalen Klimaschutz stünden für 2015 rund 400 Millionen Euro weniger im Haushalt als für 2014, kritisiert Lenkert. Ähnlich kritisch sieht das der grüne Umweltpolitiker Peter Meiwald: „Frau Hendricks ist das grüne Feigenblatt der Regierung. Tatsächlich gibt der ,Genosse der Bosse‘ vor, was passiert. Frau Hendricks kündigt nur an, setzt sich aber mit nichts durch.“ Auch Alois Vedder von der Umweltstiftung WWF ist nicht überzeugt: „Barbara Hendricks hat in der Diskussion um das EU-Klimapaket und die Reformbedürftigkeit des Emissionshandels Flagge gezeigt und ambitionierte Entscheidungen angemahnt. Leider muss man konstatieren, dass sie sich damit weder auf europäischer Ebene noch innerhalb der Bundesregierung durchsetzen konnte.“

Der Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin, Stefan Krug, warnt dagegen davor, Hendricks zu unterschätzen. „Wer dachte, die Finanzexpertin mit ihrer unaufgeregten, eher publikumsscheuen Art werde keine eigene Position gegenüber ihrem Parteichef Gabriel vertreten, lag falsch.“ Sie habe zu Recht gefordert Kohlekraftwerke abzuschalten und sich damit gegen „die ideologische Behauptung des Energieministers gestellt, ein Kohleausstieg sei unmöglich“ Krug findet: „Das ist mutig und verdient Respekt.“ Jetzt hoffe er auf „Stehvermögen“.

"Freudige Pflicht im peußischen Sinne"

Die CSU-Obfrau im Umweltausschuss, Anja Weißgerber, findet dagegen, gerade beim Klimaschutz sei Hendricks schon ziemlich erfolgreich gewesen: „Zusammen mit Kanzlerin Merkel hat sie erfolgreich dafür gekämpft, dass sich die EU – trotz der teils unterschiedlichen Ansichten – auf ambitionierte und verbindliche Klimaziele ab 2020 geeinigt hat. Das war auch ihr Erfolg.“ Und noch etwas hebt Weißgerber hervor: „Im Baubereich ist die Aufstockung der Städtebauförderung von 455 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro aus meiner Sicht sehr positiv. Als Abgeordnete aus dem ländlichen Raum freut es mich, dass auch die zusätzlichen Mittel den Städten und Gemeinden aller Größenordnungen zugute kommen.“

Darüber freut sich Hendricks selbst übrigens auch. Auf die Frage, was ihr besonderen Spaß mache an ihrem Amt, sagt sie: „Crossover zu denken.“ Damit meint sie die Verknüpfung der Bauministeriums-Denke mit der Umweltministeriums-Denke. Als Beispiel nennt sie „Grün in der Stadt“, das im Bauministerium bisher zu kurz kam. Dagegen sieht sie die Reaktorsicherheit eher als „freudige Pflicht im preußischen Sinne“.

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