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Mit Unisextoiletten, Cannabis-Modellversuchen, Knöllchen-Offensiven und Parkschließungen machen die Bezirke Schlagzeilen. Mit Personalausweisen, Wohnungs-Anmeldungen oder Baugenehmigungen läuft es nicht so gut. (Im Bild das Bezirksamt Mitte)

© Kai-Uwe Heinrich

Bezirke in Berlin: Die Krise der Zwölf

Berlin wächst: Die Bezirke sind so groß wie kleine Großstädte - aber geführt wie Verwaltungsabteilungen. Hamburg kann es besser. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Das war kein gutes Jahr für Berlins Bezirke. Die Berliner spüren, dass die Ämter in den zwölf Bezirken den Aufgaben einer wachsenden Stadt nicht genügen. Die Krise der Bezirke, die bevölkerungsmäßig Großstädte sind, ist eklatant, weil zugleich Berlins Finanzkraft wächst, Schulden getilgt werden, die öffentlichen Unternehmen Gewinne machen und die Politik wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat. Das Vertrauen schwindet, dass die zweistufige Verwaltung mit Landesregierung und Bezirksämtern noch zukunftstauglich ist.

Die bei der Bezirksreform 2001 vereinbarte Arbeitsteilung zwischen Senat und Bezirken, die damals mehr Selbstbestimmungsrechte erhielten, funktioniert nicht mehr. Bei zentralen Aufgaben scheitern, aber Unsinn wie Cannabis-Modellversuche oder Knöllchen-Offensiven gegen Falschparker anzetteln – anders werden Bezirke kaum noch wahrgenommen. Die Bürgermeister pochen auf ihre Autonomie, nutzen das Rathaus als Selbstdarstellungsbühne, vernachlässigen aber gerne Aufgaben, die arbeitsintensiv sind und keinen öffentlichen Glanz verheißen.

Verwaltung und Dienstleistung verheißen wenig Glanz

Die dringende Sanierung der maroden Schulen ist ein Lehrbeispiel des Versagens. Endlich stellt der Senat dafür mehr Geld bereit, doch es geht nicht voran, weil etliche Bezirke an den notwendigen Bauunterlagen und Ausschreibungen scheitern. Eine eigenständige Bezirksentwicklungsplanung gibt es faktisch nicht mehr, Baugenehmigungen dauern ewig und Investoren stöhnen über Intransparenz. Die Bürgerämter, die jeder kundennahen Dienstleistung Hohn sprechen, kollabieren nicht nur aus Personalmangel, wie die Bezirke monieren, sondern auch, weil das lästige Pflichtaufgaben sind. Stattdessen muss die Polizei stillschweigend Gesetzesverstöße akzeptieren, weil es Berlinern nicht möglich ist, Personalausweise zu verlängern oder Wohnungsummeldungen vorzunehmen. Fast verwunderlich, warum es nicht längst ein Volksbegehren für verlässliche Bürgeramtsdienstleistungen gibt.

Hamburg kann es besser

Es geht anders, das zeigt die Millionenstadt Hamburg. Dort hat der Erste Bürgermeister der Hansestadt freilich deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten in die Bezirke. Für die Unterhaltung der Schulen gibt es an der Elbe ein Landesamt, das zentral die Instandhaltung und Baumaßnahmen plant. Berlin könnte das gut gebrauchen, zudem die Schülerzahl stark wächst. Auch für Berlins Bürgerämter wäre ein Landesamt vorstellbar.

Vielfalt kann Stärke sein, wenn es Wettbewerb um gute Lösungen gibt. Das Versagen der Bezirke liefert deshalb Argumente für eine Zentralisierung, die eigentlich nicht erstrebenswert ist. Derzeit hat der Senat nur bedingt eine gesamtstädtische Steuerungsmöglichkeit. Es fehlt selbst eine einheitliche Ämterstruktur auf Bezirksebene, obwohl das Berliner Abgeordnetenhaus eine solche Forderung schon 2009 verabschiedet hat.

Parteibücher als Qualifikation

Stadtratsposten sind nicht nach Qualifikation, sondern nach Parteibuch besetzt. Weil in den Bezirken nicht Koalitionen regieren, die Stadtratsposten vielmehr nach Wahlproporz vergeben werden, haben auch die eingebundenen kleineren Parteien keinen Impuls, das System aufzugeben. Bezirksämter aber, die nur als Verfügungsmasse für Parteiposten verstanden werden, zerstören ihre Daseinsberechtigung.

Die Debatte, was besser werden muss, ist dringend und überfällig. Im Herbst 2016 wird nicht nur der Senat gewählt, sondern auch die Bezirksämter neu besetzt.

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