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Gute Miene. Mittagessen, Schulausflüge und die Teilhabe an Sportvereinen liefen gut, aber vor allem bei der Lernförderung gebe es Probleme, sagte Ursula von der Leyen am Dienstag.

© dpa

Hartz IV: Bildungspaket: Viel Angebot, wenig Nachfrage

2,5 Millionen Kinder wären berechtigt, Hilfe zu beantragen. Zwei Drittel aller Geringverdiener nutzen das Bildungspaket allerdings nicht – die Anträge sollen nun einfacher werden.

Berlin - Seit drei Monaten ist das Bildungspaket für Kinder von Hartz-IV-Beziehern und Geringverdienern in Kraft, doch bei mehr als zwei Dritteln der Berechtigten kommen die Leistungen noch nicht an. Für 25 bis 30 Prozent der insgesamt 2,5 Millionen berechtigten Kinder hätten die Eltern Unterstützung beantragt, sagte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag nach einem Treffen mit Vertretern der Länder und der kommunalen Spitzenverbände. „Die Zahl der Inanspruchnahme steigt“, sagte die Ministerin. Das sei erfreulich, reiche aber noch nicht aus.

Vor zwei Monaten waren nur für fünf bis zehn Prozent der Kinder Anträge gestellt worden. Trotz der Anlaufschwierigkeiten verteidigte die CDU-Politikerin die Entscheidung, die Bildungs- und Teilhabeleistungen in Form von Gutscheinen zu gewähren. „Hätten wir nur Geld überwiesen, wäre das verpufft“, sagte Leyen.

Seit Januar haben rund 2,5 Millionen Kinder aus einkommensschwachen Familien Anspruch auf einen Zuschuss zum Mittagessen in der Kita oder der Ganztagsschule. Mit zehn Euro im Monat beteiligt sich der Staat an Vereinsbeiträgen oder den Kosten für Musikunterricht. Außerdem sollen Schulausflüge bezahlt werden, bei Bedarf auch Nachhilfeunterricht. Das Bildungspaket ist Teil der Hartz-IV-Reform, zu der das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet hatte.

Am stärksten interessieren sich die Eltern bislang für den Zuschuss zum Mittagessen. Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetags unter 100 Städten sind für ein Drittel (33 Prozent) der Kinder entsprechende Anträge gestellt worden, gefolgt von Ausflügen und Klassenfahrten (23 Prozent). Nur fünf Prozent fragten Lernförderung für ihre Kinder nach – offenbar auch, weil Schulen und Lehrer noch nicht darauf eingestellt sind. „Da müssen alle noch lernen“, sagte Leyen. Hinzu kommt, dass Nachhilfeunterricht unter relativ strengen Bedingungen gewährt wird.

Etwa ein Fünftel der Eltern will bislang vom Bildungspaket nichts wissen, sagte Leyen unter Verweis auf eine Allensbach-Umfrage im Auftrag ihres Ministeriums. „Es gibt einen harten Kern, das sind etwa 20 Prozent, die interessiert das schlicht und einfach nicht.“ Pauschale Schuldzuweisungen würden aber nicht weiterhelfen. Um die Eltern anzusprechen, gehe es nun darum, „alle Kanäle zu nutzen“. Nach den deutlichen Anlaufschwierigkeiten im April hatten die Kommunen die Eltern angeschrieben, um über die Leistungen zu informieren. Leyen kündigte an, dass künftig auch die Jobcenter verstärkt bei Hartz-IV-Empfängern nachfragen sollen, ob sie das Bildungspaket für ihre Kinder beantragt haben. Außerdem schlug die CDU-Politikerin vor, verstärkt Sozialarbeiter in die Familien zu schicken. Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) sagte hingegen, sie halte nicht viel davon, an die Türen der Familien zu klopfen. Kinder und ihre Eltern könnten besser in Kitas, Schulen und Vereinen erreicht werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigten zudem, dass die Leistungen dort stärker in Anspruch genommen würden, wo die Infrastruktur besser sei – etwa in Ostdeutschland.

Auch zwischen den Kommunen gibt es deutliche Unterschiede. Laut Städtetag wurden in jeder vierten Stadt nur für zehn bis 20 Prozent der Kinder Anträge gestellt. In 20 Prozent der Städte wiederum haben sich bereits 40 Prozent der Eltern um die Leistungen bemüht. In Berlin liegen nach Angaben der Senatsverwaltung derzeit für etwa ein Viertel der Kinder Anträge vor. In einer wissenschaftlichen Studie soll nun in den nächsten Monaten untersucht werden, ob auch Kinder von Alleinerziehenden und aus Familien mit Migrationshintergrund genauso vom Bildungspaket profitieren wie andere Kinder.

Bund, Länder und Kommunen verständigten sich außerdem darauf, das Antragsverfahren zu vereinfachen. Die SPD-Politikerin Schwesig regte an, dass Eltern nicht jede Leistung aus dem Bildungspaket einzeln beantragen müssen, sondern den Anspruch ihrer Kinder durch den Bescheid des Jobcenters über den Regelsatz nachweisen können. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, kritisierte, einzelne Antragspapiere seien zu umständlich. So müssten die Eltern vor einem Schulausflug ihres Kindes einen Gutschein abholen und diesen im Anschluss bei der zuständigen Behörde einlösen.

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