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Politik: Bitte schriftlich

Politiker aus den neuen Ländern fürchten um den Solidarpakt – und wollen ihn im Grundgesetz verankern

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Berlin - Erst sah es so aus, als dränge eine große Koalition ostdeutscher Politiker in der Endphase der Verhandlungen über die Föderalismusreform auf Nachbesserungen. Übereinstimmend verlangten der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) und namhafte ostdeutsche Sozialdemokraten, den Solidarpakt II im Grundgesetz zu verankern. Andernfalls werde es keine Zustimmung der Ostländer geben, drohte Althaus. Die Gruppe von SPD-Politikern um Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bestand zunächst ebenfalls auf einer verfassungsrechtlichen Garantie des Solidarpakts II – ruderte dann aber zurück.

Bei einem Treffen am Montag auf Einladung Thierses hatten Verkehrsminister Manfred Stolpe, die Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (Brandenburg) und Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern), der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie sowie die Bundestagsabgeordneten Stephan Hilsberg und Siegfried Scheffler noch Bedingungen für ihr Ja zu dem Reformpaket festgelegt, darunter auch die Aufnahme des Solidarpakts II in die Verfassung. Doch schon am Dienstag wollten Teilnehmer ihr Abstimmungsverhalten nicht mehr an den Solidarpakt knüpfen. Man sei inzwischen „anderer Meinung“, hieß es. Dagegen gibt sich die Union prinzipienfest. „Die Furcht der ostdeutschen Länder ist berechtigt“, sagt Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz. „Die Gelder für die mittelfristigen ostdeutschen Planungen müssen klipp und klar abgesichert sein“, sagt Vaatz.

Hinter dem Rückzieher der ostdeutschen Sozialdemokraten steht die Furcht, einen seit langem schwelenden Konflikt Ostdeutschlands mit der eigenen Bundesregierung offen zu legen. Darauf zu bestehen, den Solidarpakt II im Grundgesetz zu verankern, würde auch bedeuten, ihn im Detail verfassungsrechtlich festzuschreiben und die Zahlungen des Bundes im Zweifelsfall in Karlsruhe einklagen zu können.

Obwohl die besorgten Ost-Sozialdemokraten die Bundesregierung aus parteitaktischen Gründen natürlich nicht unter solchen Druck setzen wollen, fürchten sie doch, dass sich der Bund klammheimlich in den nächsten Jahren aus dem Solidarpakt II verabschiedet. Diese Sorge ist nicht ganz unbegründet. Zwar haben die Regierungschefs von Bund und Ländern vor vier Jahren festgelegt, dass der Osten von 2005 bis 2019 insgesamt 156 Milliarden Euro erhalten wird, und der so genannte Korb I (105 Milliarden Euro) ist über den Bund-Länder-Finanzausgleich auch schon in Jahresscheiben festgelegt.

Wann und in welcher Höhe der Bund die restlichen 51 Milliarden Euro (Korb II) an die Länder zahlt, ist bis heute offen. Vordergründig weigert sich das Bundesfinanzministerium, konkrete Zahlungspläne vorzulegen, mit der Begründung, man wolle das Geld flexibel je nach Bedarf auszahlen. Tatsächlich geht es jedoch darum, den Umfang der Zahlungen jedes Jahr neu der Haushaltslage anpassen zu können. Der Zank in diesem Sommer um die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung regionaler Wirtschaftsinvestitionen (GA), die Teil des Korbes II sind, ist dafür nur ein Beispiel. Aber auch die Drohung der Bundesregierung mit Sanktionen, falls die Ostländer die Solidarpaktmittel weiterhin zur Haushaltssanierung und damit zweckentfremdet einsetzen, gehört zur Verunsicherung der Ostdeutschen. Für den SPD-Föderalismusexperten Volker Kröning sind diese Sorgen allerdings „unbegründet“. „Niemand will am Solidarpakt II rütteln.“

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