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Politik: Blairs Mission gegen zu viel Menschenrechte

Tony Blair hat mit einem heftigen Angriff auf britische Gerichte und ihre Interpretation der Menschenrechtsgesetzgebung eine Debatte angestoßen – und sich eine neue Mission für seine noch verbliebene Amtszeit gesetzt. Der britische Premier gelobte, sich für eine „fundamentale Neujustierung“ der Menschenrechtsdebatte einzusetzen.

Tony Blair hat mit einem heftigen Angriff auf britische Gerichte und ihre Interpretation der Menschenrechtsgesetzgebung eine Debatte angestoßen – und sich eine neue Mission für seine noch verbliebene Amtszeit gesetzt. Der britische Premier gelobte, sich für eine „fundamentale Neujustierung“ der Menschenrechtsdebatte einzusetzen. „Die Bedürfnisse rechtschaffener Bürger müssen den Vorrang haben“, sagt er. Er stelle Menschenrechte nicht in Frage. Man müsse aber fragen, was sie im 21. Jahrhundert bedeuteten. Blair hatte in den letzten Jahren wiederholt kritisiert, die Justizpraxis stelle individuelle Menschenrechte oft vor die Sicherheitsinteressen der Mehrheit – etwa beim Umgang mit Terrorverdächtigen.

Ausgelöst wurde der Streit durch ein Gerichtsurteil, das der Regierung unter Berufung auf die Menschenrechtsgesetzgebung die Abschiebung von neun afghanischen Flugzeugentführern verweigerte. Sie hatten im Februar 2000 eine Boeing 727 nach London-Stansted entführt, um in Großbritannien Asyl zu suchen. Alle wurden wegen Hijacking, Freiheitsberaubung und illegalem Waffenbesitz rechtskräftig verurteilt. Das Urteil sei „eine Verhöhnung des gesunden Menschenverstands“, so Blair in einer ungewöhnlich scharfen Urteilsschelte. Konservative forderten im Unterhaus: „Schieben sie diese Afghanen ab und bringen sie dafür unsere britischen Soldaten aus Afghanistan zurück.“

Blairs Labour-Partei brachte das Menschenrechtsgesetz 1998 ein, um die für EU-Mitglieder verbindliche europäische Menschenrechtskonvention in britisches Recht umzusetzen. Konservative argumentierten damals, das Gesetz sei unvereinbar mit der britischen Rechtspraxis, weil es Richtern erlaube, Urteile zu fällen, die im Wesentlichen politischer Natur sind. Tory-Chef David Cameron fordert nun die grundlegende Reform oder Abschaffung des Gesetzes. Konservative, und zunehmend auch Blair, argumentieren, dass eine „Menschenrechtskultur“ das System durchdringe, weil alle Behörden schon prophylaktisch alle ihre Entscheidungen auf mögliche Menschenrechtsimplikationen hin überprüfen. Richter sehen ihre Unabhängigkeit gefährdet und betonen, alles was sie tun könnten, sei die Gesetze umzusetzen, die Parlament und Regierung beschlossen hätten.

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