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Politik: Bloß kein Vorbild

Von Alfons Frese

Der Mann muss es wissen. Denn Bob Lutz ist Vizechef von General Motors und eine Legende im internationalen Autobusiness. Er hat in Spitzenpositionen für Opel gearbeitet, für Chrysler, Ford und BMW. Dieser Bob Lutz also sieht Deutschland als „Produktionsstätte für Automobile gefährdet“, weil es hier so teuer ist. Aber was machen wir dann? Wohin mit den 800000 Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Bau von Autos oder Autoteilen verdienen? Alle in Beschäftigungsgesellschaften stecken und für andere – welche? – Tätigkeiten qualifizieren? So macht das jetzt Opel. Und wenn Opel Trendsetter sein sollte für Mercedes und BMW, für Porsche und VW, dann erodiert unsere industrielle Basis.

Mit 10000 Arbeitsplätzen verliert Opel fast ein Drittel seiner Belegschaft. Das ist bitter für die Betroffenen und traurig für eine berühmte deutsche Marke. Denn Opel, vor 75 Jahren von General Motors (GM) übernommen, verliert ja nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Kapazitäten, Image und Bedeutung. Opel wird klein gemacht. In den vergangenen Monaten, insbesondere während der Streiks der Bochumer OpelBelegschaft, schien sich ein Kampf der Kulturen abzuspielen: Amerikanische Managementmethoden gegen deutsche Mitbestimmung. Am vorläufigen Ende steht nun ein Interessenausgleich.

GM macht seit Jahren enorme Verluste in Europa, vor allem mit Opel. Das ist auf Dauer keinem Kapitalgeber zuzumuten. Die Geduld der Bosse in Detroit ist erschöpft und die Kasse leer; der harte Schnitt soll jetzt die Genesung bringen. Der Betriebsrat konnte das nicht verhindern. Aber immerhin gibt es keine betriebsbedingten Kündigungen. Der Großteil der betroffenen Mitarbeiter wird in Transfergesellschaften untergebracht und auch mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit übergangsweise beschäftigt und qualifiziert. Das ist besser als arbeitslos, aber auch keine wirklich gute Lösung, zumal nicht für Bochum, wo es kaum andere Jobs gibt. Eine gute Lösung war in diesem Fall aber auch nicht möglich. Die Alternative wäre die Kündigung, der Gang zur Arbeitsagentur und dann demnächst Hartz IV gewesen.

Das Management von GM und Opel, aber auch die Betriebsräte und Belegschaften haben zu lange geglaubt, mit den bereits vor Jahren beschlossenen Spar- und Effizienzprogrammen aus der Krise zu kommen. Das war eine Fehleinschätzung, für die jetzt die Rechnung kommt. Auf den sehr guten Produkten der jüngsten Vergangenheit – Zafira, Meriva, Astra, Vectra – lagen noch immer die Schatten der 90er Jahre, als Opel durch Qualitätsmängel und langweilige Autos Marktanteile und Image einbüßte. Als endlich die tollen Autos da waren, wurde der deutsche Markt schwach und wurden die Gegner aus Japan, Frankreich und Korea immer stärker. Bitter auch für Opel, dass Verluste im Inland nicht im Export ausgeglichen werden können; die GM-Tochter muss eben auf die Interessen der Mutter Rücksicht nehmen.

Mit der Opel-Einigung endet ein ungewöhnliches Jahr für die Autonation Deutschland. Erst drohte Mercedes- Benz mit der Verlagerung der C–Klasse- Fertigung von Sindelfingen unter anderem nach Südafrika und presste der Belegschaft ein Sparvolumen von 500 Millionen Euro ab, dann zockte der VW-Vorstand acht Wochen mit der IG Metall über Milliardeneinsparungen und neue Modelle. In beiden Fällen gab es einen Kompromiss, der die Beschäftigung langfristig sichert. In beiden Fällen – aber auch bei den Kölner Ford-Werken gibt es ähnliche Abmachungen – ließen sich die Beschäftigten Zugeständnisse mit Investitionen abkaufen. Anders gesagt: Die Menschen sind bereit, länger zu arbeiten oder auf etwas zu verzichten, wenn das Unternehmen das eingesparte Geld für Innovationen, für wettbewerbsfähige Produkte, für Arbeitsplätze ausgibt. Das macht den Autostandort für die nächsten Jahre wetterfest. Bei Opel ist das überhaupt noch nicht klar, die aktuelle Einigung ist nur ein Zwischenschritt. Wie sicher die Zukunft für Rüsselsheim und Bochum wirklich wird, hängt ab von den Verhandlungen im kommenden Jahr. Und von Bob Lutz und dessen Kollegen in Detroit.

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