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Politik: Bloß nicht anstößig werden

Vorschläge zum Vierer-Gipfel in der EU sollen Briten nicht verprellen

Mit dem Ziel, „Anstöße zu geben, ohne Anstoß zu erregen", treffen sich am kommenden Dienstag die Regierungschefs von Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg in Brüssel. Die Vier, die zum so genannten „Pralinengipfel“ zusammenkommen, wollen eine vertiefte europäische Verteidigungspolitik vorantreiben.

Alle vier Staaten waren entschiedene Gegner des Irak-Krieges. Jetzt bemühen sie sich um Harmonie innerhalb der EU und im Verhältnis zu den USA. Darum basieren ihre Forderungen für eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik auf alten EU-Beschlüssen, die in den vergangenen zwei Jahren großenteils auch von Briten und Spaniern mitgetragen wurden. Dazu gehören eine gemeinsame Einsatztruppe, gemeinsame Rüstungsprojekte und die Zusammenarbeit bei Teilstreitkräften oder beim Lufttransport. Wieder strittig ist die Bildung eines europäischen Hauptquartiers für Einsätze, die ohne Nato-Beteiligung stattfinden sollen. Auf sie hatten sich die EU-Verteidigungsminister bereits vor zwei Jahren einmal geeinigt.

Die Idee des europäischen Hauptquartiers sei ja nicht grundsätzlich falsch, heißt es in Diplomatenkreisen – aber sie komme nun wirklich zur Unzeit. Auch wenn der bisherige Plan der Europäer vorsehe, gemeinsame Operationen auch ohne die Nato ausführen zu können, so sei es jetzt, so kurz nach dem Krach über den Irak, der ungünstigste Zeitpunkt, neue Gräben aufzureißen. Besonders in Großbritannien gelten eine europäische Armee und ein Hauptquartier abseits der Nato inzwischen als rotes Tuch.

Die Befürworter des Irak-Kriegs in der Europäischen Union verstehen die eigenständige EU-Sicherheitspolitik als Abgrenzung gegenüber der Nato und der USA. Spaniens Außenministerin de Palacio und Großbritanniens Vize-Außenminister McShane gelang es beim vorösterlichen Treffen der 15 Außenminister in Luxemburg, dem Chefaußenpolitiker der Union, Javier Solana, und dem griechischen Außenminister Papandreou als derzeitigem Ratspräsidenten zu untersagen, den Vierer-Gipfel zu beobachten. Auch kein anderer Mitgliedstaat fand sich dazu bereit, obwohl es der Wunsch von Bundeskanzler Schröder war, der die Kooperation als offen für alle Mitglieder dargestellt hatte.

Auch der britische Premierminister Tony Blair beabsichtigt nicht, am Dienstag nach Brüssel zu kommen. So ist das Treffen für den Bundeskanzler auch innenpolitisch zum Kriegsschauplatz geworden. Die vier Gipfelteilnehmer haben deshalb jetzt konsensfähige Ziele in den Blick genommen. Sie wollen, dass die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik so in der künftigen EU-Verfassung verankert wird, dass einige Mitgliedstaaten auch dann enger zusammenarbeiten können, wenn nicht alle mitmachen wollen. Das wollen sie im EU-Konvent durchsetzen. Schließlich ist auch immer noch ein Vorgehen nach dem Schengen-Modell denkbar. Danach arbeiten einige Staaten außerhalb der bestehenden Verträge zusammen, solange bis sich alle beteiligen wollen.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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