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Anti-Kriegs-Demo

© dpa

BND-Untersuchungsausschuss: "Nein" zum Irak-Krieg war ein "Jein"

Kurz vor Beginn des Irak-Kriegs war die Haltung der deutschen Bundesregierung dem Anschein nach eindeutig: Es werde keine Beteiligung der Deutschen geben. Jetzt bekommt das Bild der standhaften Deutschen Risse.

Mit der Befragung der beiden Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts, Reiner M. und Volker H., geht der BND-Ausschuss des Bundestags in die entscheidende Phase. Am Donnerstag wurden beide unter Ausschluss der Öffentlichkeit von den Mitgliedern des Ausschusses vernommen. Vor allem die Opposition erhoffte sich Aufklärung darüber, was die beiden 2003 kurz vor und während des Irak-Kriegs in Bagdad gemacht haben, ob sie Informationen an die Amerikaner weitergaben und wie wertvoll ihre Informationen für die USA waren.

Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich früh festgelegt: Im Wahlkampf schloss der damalige Kanzler Gerhard Schröder einen Krieg ganz klar aus, so etwa Anfang September 2002 in Berlin: "Es bleibt dabei: Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer Intervention im Irak nicht beteiligen." Bis zum Januar 2006 schien klar: Deutschland hatte den Amerikanern zwar Überflugrechte gewährt und Aufklärungsflugzeuge über der Türkei fliegen lassen, sich darüber hinaus aber nicht am Krieg beteiligt. Dann wurde der Aufenthalt der beiden BND-Mitarbeiter öffentlich. Die Bundesregierung hatte immer betont, die Informationen der beiden Agenten hätten dazu gedient, sicherzustellen, bestimmte Ziele eben gerade nicht zu bombardieren. Die Akten, die das Kanzleramt zur Verfügung gestellt hat, zeigen aber: ja, die Agenten haben Informationen geliefert und ja, die Informationen waren durchaus "kriegsrelevant".

Opposition sieht Beteiligung der Bundesregierung am Irak-Krieg

Nun beginnt der Kampf um die Deutungshoheit. Im Kern geht es geht darum, was die damalige Regierung wusste. Namentlich werden diese Vorwürfe festgemacht an der Person des damaligen Kanzleramtsministers und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Was wusste er und inwieweit kann er persönlich zur Verantwortung gezogen werden? Klarheit sollten dafür die Zeugenaussagen von Reiner M. und Volker H. bringen.

Erwartungsgemäß versucht die SPD, die Ereignisse herunterzuspielen: Die Maßnahmen dienten lediglich dazu, eigene Erkenntnisse zu erzielen, erklärt der SPD-Obmann im Ausschuss, Michael Hartmann. Die beiden sollten Informationen aller Art "aufsaugen", um so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage vor Ort zu bekommen. Schließlich habe Deutschland damals den Vorsitz im Sicherheitsrat inne gehabt, außerdem habe man im Sinne eigener Interessen gehandelt: Es sei darum gegangen, Flüchtlingsströme zu vermeiden und Terrorgefahren einzudämmen. Außerdem: "Wir waren, sind und bleiben Bündnispartner der USA." Er sehe aber keine Hinweise für die Weitergabe kriegsrelevanter Daten.

Die Opposition hingegen sieht klare Belege dafür, dass sich der Bundesnachrichtendienst und die damalige rot-grüne Regierung am Krieg beteiligt haben, indem sie den Amerikanern Informationen zur Verfügung gestellt haben. "Die Aktenlage widerlegt leider die Behauptung der Bundesregierung, sie beteilige sich nicht, vollständig", erklärt Norman Paech von der Linken und Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss. Und auch Grünen-Politiker Christian Ströbele stellt fest, es seien eindeutig militärische Objekte von Bagdad nach Pullach und von Pullach nach Washington gemeldet worden. Mindestens eine der Meldungen habe unmittelbar eine Bombardierung nach sich gezogen: Die Agenten meldeten Ende März 2003, dass sich wieder Soldaten in einem irakischen Offiziershauptquartier der Luftwaffe aufhielten, der kurz zuvor bombardiert worden war. Kurz darauf sei das Offiziersheim erneut angegriffen worden. Die Aufklärung der beiden BND-Mitarbeiter sei außerdem ursächlich dafür gewesen, dass die Amerikaner nach Bagdad durchmarschiert seien, so Ströbele. Nach Angaben des "Spiegel" sollen die beiden Agenten kurz vor dem Einmarsch der USA einen Anruf aus der BND-Zentrale erhalten haben, "aktuelle Infos zum Lagebild in Bagdad" seien von größter Wichtigkeit.

Untersuchungsausschuss will Steinmeier Ende November erneut vernehmen

Sollten sich die Vorwürfe der Opposition erhärten, muss sich der Kanzlerkandidat der SPD, Frank-Walter Steinmeier, so oder so unbequeme Fragen gefallen lassen: "Hat der damalige Chef de Bundeskanzleramts davon gewusst oder sind Teile des BND außer Kontrolle geraten? Dann muss Steinmeier sich organisatorisches Versagen vorwerfen lassen", so Ströbele, dessen Partei damals allerdings ebenfalls in der Verantwortung stand. Der FDP-Politiker Max Stadler geht davon aus, dass für die Klärung der Fragen die Aussagen der beiden Zeugen nicht ausreichen werden: "Wir werden auch Verantwortliche in der BND-Zentrale befragen, um die Frage zu klären, wer hat hier was kontrolliert und wie es um die Aufsicht durch das Bundeskanzleramt bestellt war." Stadler erklärte, es gehe jedoch nicht darum, eine Vorverurteilung auszusprechen.

Voraussichtlich Ende November soll der SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch einmal vor dem Ausschuss aussagen. In einem Interview hatte er eklärt, die Öffentlichkeit werde sich nicht vormachen lassen, dass zwei BND-Mitarbeiter ausgereicht hätten, "um Deutschland im Nachhinein zur Kriegspartei zu machen". Viel wird vom Verhalten der Union abhängen, die sich momentan noch betont zurückhält. Je näher der Wahltermin rückt, desto wahrscheinlicher aber ist es, dass die Union von dieser Haltung abrücken wird.

Nicole Scharfschwerdt

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