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Politik: Bombe auf die Oase

Die Stadt Nadschaf galt als sicher. Der Anschlag auf einen Geistlichen könnte auch auf Konflikte unter den Schiiten zurückgehen

Von Andrea Nüsse, Amman

Die Menschen in Nadschaf – etwa 150 Kilometer südlich von Bagdad gelegen – sind aufgeschreckt. Im Gegensatz zur Hauptstadt hatte sich das Leben in diesem Zentrum der schiitischen Geistlichkeit nach Kriegsende schnell normalisiert. Elektrizität und Wasserversorgung funktionieren, und in den Straßen der Kleinstadt kann man auch nachts gefahrlos flanieren. Die so genannte Hausa, die informelle geistliche Führung der Schiiten, hatte für Ordnung und Sicherheit gesorgt.

Doch der Anschlag auf Ajatollah Mohammed Sajid al Hakim, einen der vier führenden schiitischen irakischen Geistlichen und Onkel des Vorsitzenden des Obersten Rates für die Islamische Revolution (Sciri), Mohammed Bakir al Hakim, dessen Organisation einen Sitz im irakischen Verwaltungsrat hat, beendete diese Ruhe. Der Geistliche wurde nur leicht verletzt, aber drei Leibwächter starben, als eine Bombe an der Außenseite seines Wohnhauses explodierte. Tausende Schiiten kamen am Montag zu ihrem Begräbnis.

In Nadschaf forderten am Montag mehrere tausend Schiiten Rache für den Anschlag. Die Verwirrung ist groß: Denn bisher gibt es nur Vermutungen, wer den Anschlag verübt hat. Und es ist noch nicht einmal sicher, gegen wen sich die Tat richtete. Zwar erklärte ein Sciri-Sprecher sofort, der Angriff habe sich gegen seine Organisation gerichtet. Sciri wird von einigen schiitischen Gruppen vorgeworfen, dass sie mit den USA kooperiere. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel hatte der Sohn und Sprecher von Sajid al Hakim allerdings kürzlich erklärt, dass der Geistliche trotz seiner Verwandtschaft nicht unbedingt den Kurs des Sciri-Vorsitzenden teile. Vielmehr stehe Hakim in der Tradition der meisten irakischen Schiitenführer, die eine direkte Einmischung in die Politik ablehnen und sich als „spirituelle Führung“ der Schiiten sehen.

Insbesondere die Anhänger des hitzigen Moktada al Sadr werfen dieser Linie vor, nicht zum Kampf gegen die US-Besatzer aufzurufen. Moktada al Sadr lebt vom Ruhm seines Vaters, der von Saddam Hussein ermordet wurde. Der Druck einiger Gruppen ist so groß, dass ein anderer führender Ajatollah in Nadschaf, Sistani, der sich explizit nicht in die Politik einmischen wollte, vor einigen Wochen gezwungen war, in einer Fatwa, einem geistlichen Rechtsgutachten, dem irakischen Verwaltungsrat jede Legitimität abzusprechen. So liegt es nahe, dass der Anschlag Teil der Auseinandersetzungen innerhalb der schiitischen Gemeinde im Irak ist – und der Verdacht fällt auf die Anhänger des jungen Moktada al Sadr.

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