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Entschlossen: Dilma Rousseff. Foto: Reuters

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Politik: Brasiliens Elite zittert

Staatschefin nimmt Kampf gegen Korruption ernst

Ihr Vorgänger hat die Korruption lieber ausgeblendet oder billigend in Kauf genommen. Staatspräsidentin Dilma Rousseff scheint nun zum Angriff auf eines der tief verwurzelten Übel Brasiliens zu blasen – und die politische Klasse erzittert. Vergangene Woche nahm die Bundespolizei 35 Funktionäre fest, die unter dem Verdacht stehen, mehrere Millionen aus dem Etat des Tourismusministeriums abgezweigt zu haben, darunter Vizeminister Federico da Silva Costa. Der verantwortliche Minister Pedro Novais von der Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB) wurde vor den Ermittlungsausschuss im Parlament zitiert.

Auch Transportminister Alfredo Nascimiento von der Republikanischen Partei (PR) musste wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten ebenso wie die rechte Hand Rousseffs, Präsidialamtsminister Antonio Palocci von der regierenden Arbeiterpartei (PT), gegen den die Justiz wegen ungerechtfertigter Bereicherung ermittelt. Unter Beschuss ist auch Landwirtschaftsminister Wagner Rossi (PMDB), der in seinem Ministerium Dutzende Familienangehörige von Parteikollegen untergebracht haben soll. Er selbst konnte daran nichts Anrüchiges finden. In der vorigen Woche wurde bekannt, dass die Polizei in die Ermordung einer Anti-Mafia- Richterin verwickelt sein könnte.

Ihr werde die Hand nicht zittern bei der Bekämpfung von Korruption und Straffreiheit, egal welche Partei davon betroffen sei, verkündete die Staatschefin. Die oppositionelle Sozialdemokratische Partei (PSDB) sieht ein „System genereller Korruption“ in der Regierung, die Medien schreiben von „ethischer Säuberung“. „Bravo, endlich stellt ein Staatschef, und es musste wohl eine Frau sein, das Wohl des Landes voran, ohne auf die nächste Wahl zu schielen“, schrieb die Zeitung „Jornal da Cidade“. Der breiten Zustimmung der Bevölkerung kann sich Rousseff dabei sicher sein. Doch bei den betroffenen Koalitionspartnern läuten die Alarmglocken – insbesondere beim wichtigsten, der PMDB.

Die Partei unter Führung des zwielichtigen Senatspräsidenten und Regionalcaudillos José Sarney – dessen Familie regiert seit Jahrzehnten den nördlichen Bundesstaat Maranhao – hat besonders viel Dreck am Stecken, ist aber wichtiger Mehrheitsbeschaffer für die PT. Die PMDB und die PR boykottieren seither die gemeinsamen Sitzungen und drohen mit einer Blockade sämtlicher Gesetzesvorhaben der Regierung. Aus Angst vor solchen Konflikten rührte Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio „Lula“ da Silva auch keinen Finger, als der erste linke Gouverneur von Maranhao, Jackson Lago, nach wenigen Monaten im Amt vom lokalen Wahlgericht abgesetzt und durch Sarneys unterlegene Tochter Rosanna ersetzt wurde.

Rousseff kann nun allerdings auf mehr Unterstützung hoffen. „Räumen Sie auf, Sie können mit uns rechnen. Lassen Sie sich nicht erpressen, das Volk ist auf Ihrer Seite“, erklärte der Senator Randolfe Rodrigues von der linken Partei Sozialismus und Freiheit. Mehr als ein Dutzend Senatoren haben sich der Initiative angeschlossen, sogar in der PMDB gibt es Leute, die die Korruption offenbar leid sind. „Vorwärts mit den Ermittlungen“, sagte deren Senator Pedro Simón. Auch der einflussreiche Ex-Minister Cristovam Buarque von der Demokratischen Arbeiterpartei betonte, es sei wichtig, dass die Korrupten im Gefängnis landeten, noch wichtiger sei es aber, dass keiner in der Regierung sei.

Vorerst verzögern die eingerichteten Ermittlungsausschüsse die reguläre Parlamentsarbeit und die Debatte von Gesetzen zu Steuern, Bergbau und Erdölförderung. Sollte Rousseff allerdings Erfolg haben, wäre dies nicht nur ihrer Popularität zuträglich, sondern es käme einer kleinen Revolution des politischen Systems gleich, dessen Entscheidungen allzu häufig auf Vetternwirtschaft und Stimmenkauf beruhen.

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