zum Hauptinhalt

Bremen-Wahl: Ex-Schill-Partei fehlt eine Stimme

Die "Bürger in Wut" (BIW) hat den Einzug ins Bremer Landesparlament nur um eine Stimme verfehlt. Jetzt wollen die Rechtspopulisten notfalls klagen. Unterdessen möchte die Bremer SPD noch diese Woche einen Koalitionspartner finden. Aber die Bundesparteien mischen mit.

Bremerhaven - "Wir werden alles unternehmen, um doch einen Sitz in der Bürgerschaft zu bekommen", sagte der Vorsitzende der BIW, Jan Timke. Nach der denkbar knappen Niederlage bei der Bremer Bürgerschaftswahl schließt die konservative Gruppierung "Bürger in Wut" (BIW) eine Anfechtung des Wahlergebnisses nicht aus. Eine einfache Forderung nach einer Neuauszählung reicht nach Angaben der Stadt Bremerhaven zur Wahlanfechtung allerdings nicht aus. Eine Klage müsse konkret begründet sein. Die Wählervereinigung setzt nach Angaben Timkes zunächst auf eine nachträgliche Korrektur der Auszählung bei der Vorlage des amtlichen Endergebnisses Anfang der kommenden Woche. Sollte dies nicht das gewünschte Resultat haben, will die BIW einzelne Wahlbezirke prüfen. Über rechtliche Schritte sei noch nicht entschieden worden, sagte Timke.

Sollte die BIW in Bremerhaven doch noch die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, hätte sie Anspruch auf einen der 15 für die Seestadt reservierten Sitze in der Bürgerschaft. Möglicherweise müsste dann die SPD ein Mandat abgeben. Die nach eigenen Angaben 2004 in Berlin gegründete Wählervereinigung trat erstmals im Land Bremen zur Wahl an. Ihr Spitzenkandidat Timke hatte vor vier Jahren in Bremen bereits für die Schill-Partei kandidiert und ebenfalls knapp den Einzug in die Bürgerschaft verfehlt. In Bremerhaven holte die BIW vor allem in bürgerlich-geprägten Wahlbezirken Stimmen.

Suche nach Koalitionspartner beginnt

Die Bremer SPD will nichts desto trotz noch in dieser Woche erste Sondierungsgespräche mit den möglichen Koalitionspartnern CDU und Grüne führen. Wenn nötig, werde es in der nächsten Woche eine zweite Runde geben, sagte SPD-Chef Uwe Beckmeyer in Bremen. "Es bedarf eines sehr klugen Abwägens der Möglichkeiten", betonte er. Bei der Wahl des Koalitionspartners spielten "sowohl bremische als auch bundesrepublikanische Gründe" eine Rolle. Die Veränderung der Stimmverhältnisse im Bundesrat bei einer rot-grünen Koalition in Bremen könne bei der Entscheidung nicht ausgeblendet werden, fügte Beckmeyer hinzu, ohne dies näher zu präzisieren.

Währenddessen beraten die Bundesparteien in Berlin über das Wahlergebnis in Bremen. SPD-Chef Kurt Beck sagte, er habe "keine Präferenz" für ein Regierungsbündnis in Bremen. Es gehe darum, "ein Optimum an sozialdemokratischer Politik" zu vereinbaren. Grünen-Chefin Claudia Roth sprach angesichts des Erfolgs ihrer Partei von einem "ganz klaren Auftrag für die Übernahme von Regierungsverantwortung". SPD und CDU hatten zuletzt zwölf Jahre lang an der Weser regiert.

Vorläufiges amtliches Endergebnis

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verlor die SPD mehr als fünf Prozentpunkte und kam auf 36,8 Prozent, die CDU verzeichnete Verluste von mehr als vier Prozentpunkten und kam auf 25,6 Prozent. Die Grünen erzielten mit 16,4 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl. Der Linkspartei gelang mit 8,4 Prozent erstmals der Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Die FDP schaffte mit 5,9 Prozent erstmals seit 1991 den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung war mit 57,6 Prozent so niedrig wie nie zuvor in Bremen.

In der neuen Bürgerschaft ist die SPD künftig mit 33 Abgeordneten vertreten, die CDU entsendet 23 Parlamentarier, die Grünen verfügen über 14 Mandate. Die Linkspartei stellt 7 Abgeordnete, die FDP 5. Wegen des besonderen Wahlrechts in Bremen, wo für die Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven jeweils eine eigene Fünf-Prozent-Hürde gilt, zieht die rechtsextreme DVU nach 1999 und 2003 erneut mit einem Bremerhavener Abgeordneten in die Bürgerschaft ein.

Böhrnsen: Keine Verhandlungen mit Linkspartei

SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen, dessen Partei weiterhin stärkste Kraft blieb, kündigte Sondierungsgespräche über die Regierungsbildung sowohl mit der CDU als auch den Grünen an. Verhandlungen mit der Linkspartei lehnte er ab. Eine Entscheidung soll in den kommenden zwei Wochen gefällt werden. Die Bremer Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert bot sich als Regierungspartner an und sagte: "Man kann ja nicht weiter eine große Koalition machen, wenn beide großen Parteien verloren haben." Ein rot-grünes Bündnis wäre das erste auf Länderebene nach dem Ende der rot-grünen Regierung in Nordrhein-Westfalen 2005.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla gab den Sozialdemokraten die Schuld am schlechten Abschneiden der großen Koalition in Bremen. "Sie haben keine klare Aussage zur Fortsetzung der erfolgreichen Regierung in Bremen gemacht", sagte Pofalla in Berlin. SPD-Chef Beck sagte mit Blick auf den Erfolg der Linkspartei, diese komme für eine Koalition nicht in Frage. Es müsse darauf geachtet werden, dass "der Aufschwung bundesweit nicht an einer großen Zahl von Menschen vorbei geht", sagte Beck dem ZDF. Deshalb müssten sich alle Parteien mit dem Wahlergebnis der Linken auseinandersetzen.

Lafontaine rechnet mit weiterem Zulauf

Linksfraktionschef Oskar Lafontaine sagte, das Bremer Ergebnis sei "ein erneuter Fingerzeig, dass die jetzige Politik der SPD von vielen Menschen abgelehnt wird". Er rechne nun mit weiterem Zulauf zu seiner Partei, sagte Lafontaine der "Sächsischen Zeitung". "Es gibt eine Reihe von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, die sich überlegen, ob sie nicht doch zur Linken kommen", sagte der ehemalige SPD-Politiker. "Viele zögerten, weil sie unsicher waren, ob die Linke tatsächlich im Westen Fuß fasst. Jetzt zeigt sich: Wir werden auch im Westen Erfolg haben." (tso/dpa/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false