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Brigadegeneral Dammjacob: „Unsere Soldaten sind keine Djangos“

Brigadegeneral Dammjacob über Herausforderungen für seine Isaf-Truppe im Norden Afghanistans

Die deutschen Soldaten in Afghanistan gelten vielen als ein bewaffnetes Technisches Hilfswerk. US-Verteidigungsminister Gates hat es ähnlich formuliert. Was würden Sie ihm antworten?

Ich würde ihm sagen, dass wir unseren Auftrag erfüllen. Der Name Isaf beinhaltet „Assistance Force“. Wir unterstützen die Afghanen dabei, Sicherheit zu schaffen. Was immer hier im Norden nötig ist, das tun wir. Im Süden mag es Situationen geben, die eine intensivere Kriegführung nötig machen.

Robert Gates sagt, es dürfe keine Zweiteilung der Nato in Kämpfer und Aufbauer geben, das werde sie zerstören.

Ich kann ja nicht durchs Land ziehen und Feinde suchen, die ich erschießen kann. Wir haben es hier vor allem mit Kriminellen zu tun, mit zahlreichen nicht sehr freundlichen „local power brokern“ und vereinzelten Taliban. Das heißt, sie haben Gelder, um Leute anzuheuern, um den einen oder anderen Anschlag auf uns, vor allem aber auf die Sicherheitsbehörden des Landes zu verüben. Das sieht anders aus, als wenn 100 Mann versuchen, ein Camp zu überrennen oder einem Dorf ihren Willen aufzuzwingen.

Deshalb findet Minister Gates ja, sie sollten in den Süden kommen und kämpfen.

Das ist erst einmal eine politische Frage, ob wir das tun wollen. Können könnte die Bundeswehr das. Aber unser Auftrag ist die Sicherheit im Norden. Im Notfall eilen wir unseren Verbündeten im Süden, im Westen, im Osten zu Hilfe. Von Fall zu Fall. Diesen Fall hatten wir noch nicht

Kränkt es Sie, wenn Herr Gates die Deutschen Kampfverweigerer nennt? Zerstören Sie die Nato?

Kränken? Nicht im Geringsten. Wir können stolz auf das sein, was wir leisten. Das ist nicht weniger als andere tun. Ich bin da absolut gelassen.

Nun gibt es eine Debatte, dass 1000 weitere Soldaten nach Afghanistan gehen könnten. Könnten Sie die brauchen?

Ich höre, dass es solche Überlegungen geben soll. Nur: Ich weiß es einfach nicht. Wenn Sie einen Militär fragen, will er natürlich mehr, er will immer mehr.

Sie könnten die 1000 also brauchen?

Ich komme mit dem aus, was ich habe. Und ich fordere nicht mehr Soldaten.

Es gibt aber solche Forderungen aus der Generalität.

(lacht) Was soll ich sagen, ich bin nicht „tät“, ich bin einer.

Die Norweger stellen die Schnelle Eingreiftruppe, die hier den schlimmsten Kampf seit dem Zweiten Weltkrieg hatte. Was heißt es, wenn die Deutschen diese Aufgaben bald übernehmen?

Ich habe sie doch längst übernommen. Ich bin hier für alle Isaf-Kräfte verantwortlich. Die Quick Reaction Force, kurz QRF, geht nirgendwo hin, wo sie nicht von mir hinbefohlen wird. Es gibt Bedarf für sie, also muss ich auf Ersatz für die Norweger bestehen. Aber das sind keine zusätzlichen Fähigkeiten.

Sind die deutschen Soldaten auf diesen Einsatz vorbereitet, technisch wie mental?

Das steht für mich außer Zweifel.

Der bisherige QRF-Kommandeur hat gesagt, seine Leute waren für alles ausgebildet, aber auf den Angriff, wenn Taliban über das Gebirge kommen, nicht.

Ich bin froh, dass unsere Soldaten nicht als Djangos nach Afghanistan kommen. Wir sind in der deutschen Gesellschaft aufgewachsen. Wir rennen hier nicht rum, Ärmel hoch, Messer zwischen die Zähne und jetzt gilt es, Menschen umzubringen. Aber schon heute würden sich meine Soldaten ihrer Haut erwehren, wenn die Taliban über den Berg auf uns zu marschierten. Das ist doch selbstverständlich. Dass dabei eine Hemmschwelle zu überwinden ist, na ein Glück!

Reden Sie genug mit den Soldaten? Soldaten klagen, oft werde zu wenig erklärt, warum sie etwas tun.

Vielleicht wird auch manchmal zu wenig hingehört.

Das heißt?

Politik wie militärische Führung bieten genügen Foren, um über das Thema zu sprechen. Bei der Vorbereitung reden wir über Kultur, Geografie, Klima und darüber, wann welche Waffe einzusetzen ist, eingesetzt werden darf. Wir sagen, warum sich die Bundesrepublik in Afghanistan engagiert. Dass der eine oder andere da auch mal weghört, will ich nicht ausschließen.

Das ist die Theorie. Ich meine den konkreten Fall. Ein harmloses Beispiel: Beim Zwischenstopp hierher mussten Soldaten früh bei Minusgraden draußen zum Weiterflug antreten. Nach einer Dreiviertelstunde gab es immer noch keine Information.

In der Bundeswehr menschelt es eben auch. Ich würde gern alle Mängel ausräumen, aber es gelingt mir nicht. Im Übrigen kann man auch mal selbst fragen, wie es weitergeht.

Ist den Bürgern klar genug gesagt worden, warum Soldaten in Afghanistan sind und was sie da tun?

Das ist eine interessante Frage. Ich bin froh, dass es jetzt in Deutschland eine Diskussion über den Afghanistaneinsatz und die QRF gibt. Es macht Sinn, dass sich die Bevölkerung intensiv mit dem Einsatz auseinandersetzt. Aber es ist die Frage, ob die Diskussion die Bundeswehr führen sollte. Natürlich ist es unsere Bringeschuld, zu erklären, was ein Einsatz bedeutet, was die Bundeswehr kann und was nicht. Aber ob und wo sie eingesetzt wird, da ist die Politik gefordert.

Wie wichtig ist für die Isaf die Winterhilfe für die Afghanen?

Wir versuchen hier klarzumachen, dass wir keine Besatzer sind, sondern helfen wollen. Diese Message möchten wir nach ganz Afghanistan tragen. Wir Militärs sind nicht die Einzigen, die Hilfe leisten. Aber wir können eben den einen oder anderen Ort erreichen, wo zivile Hilfe nicht hinkäme.

Was sagen sie Leuten, die meinen, sie bestechen die Leute?

Den Gedanken finde ich ziemlich absurd. Für welche Gegenleistung sollte ich den Afghanen denn bestechen?

Damit er nett bleibt.

Na das ist ja interessant. Ich gehe davon aus, dass der von vornherein nett ist.

Viele meinen, hier sitzen die Taliban. Wenn sich die Lage der Leute nicht bessert, wenden auch sie sich gegen den Westen.

Dieses Bild ist total falsch. Hier im Norden gibt es vor allem Kriminelle. Die Menschen sind froh, wenn Isaf auftaucht, besonders gemeinsam mit der afghanischen Armee. Wir hoffen, dass sich bald auch das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Polizei verbessert. Nur wenn die Menschen begreifen, dass das ihre Armee ist, ihre Polizei, nicht die von irgendwelchen Machthabern, ist die Sicherheit zu gewährleisten.

Das Interview führte Ingrid Müller.

Brigadegeneral

Dieter Dammjacob
(57) ist seit 9. Januar Befehlshaber der

Internationalen

Sicherheitsunterstützungstruppe (Isaf)

in Afghanistans

Nordregion.

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