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Politik: Britanniens Konservative - Beschützer der Armen

Seit Jahren hat man von den britischen Konservativen nicht viel gehört. Doch als sie am vergangenen Wochenende bei ihrem kleinen Parteitag die Labour-Regierung mit Hohn und Spott überhäuften, konnten sie plötzlich einen Glaubwürdigkeits-Bonus beanspruchen.

Seit Jahren hat man von den britischen Konservativen nicht viel gehört. Doch als sie am vergangenen Wochenende bei ihrem kleinen Parteitag die Labour-Regierung mit Hohn und Spott überhäuften, konnten sie plötzlich einen Glaubwürdigkeits-Bonus beanspruchen. "Wir werden die Probleme lösen, die Labour ignoriert," donnerte Parteichef Iain Duncan Smith. Unter konsequenter Vermeidung der kniffligen Europapolitik führt er die Partei Frau Thatchers nach über 20 Jahren zurück in die Mitte. Er sprach sogar von den Tories als Beschützer der Armen, Kranken und Bedürftigen. So gesehen trifft es sich vielleicht gut, dass Margaret Thatcher, von einer Reihe kleinerer Schlaganfälle getroffen, nun von ihren Ärzten zum öffentlichen Schweigen verurteilt wurde.

Die Tories rücken kühn in eine politische Mitte vor, in der Tony Blairs allmächtige Position plötzlich wacklig aussieht. Die offene Rebellion der Labour-Linken gegen Blairs Irak-Politik ist nur ein willkommener Anlass für die tiefer gehende Kritik. "In der Opposition gegen einen Krieg im Nahen Osten kristallisiert sich die aufkeimende Opposition gegen den gegenwärtigen Drift in der Regierungspolitik", analysierte der Hinterbänkler George Galloway. Dieser Labourrebell streute in den letzten Tagen gezielt Gerüchte über eine angebliche Revolte gegen Blair. Eine solche Rebellion hatte Ende der neunziger Jahre zum Sturz von Margaret Thatcher geführt. Heute genügt es schon, davon zu reden, um Blairs Stellung zu untergraben.

Die Liste der Kritik an Blair ist lang: Der Pakt mit den Rechtsregierungen in Rom und Madrid, Spendenskandale, der immer verwirrendere Gang der großen Reformen, Labours offensichtliches Scheitern im Gesundheitsdienst. Die lang gediente Abgeordnete Gwyneth Dunwoody sprach in der Zeitung "Guardian" von einer "Identitätskrise" der Labour-Partei: "Wir dachten alle, dass es einen Plan gibt. Aber es gibt keinen Plan. Die Regierung hat keine Prinzipien, keine klare Vorstellung von ihren Zielen."

Immer mehr Briten, die nach jahrelangen Reformen längst nicht mehr wissen, wer ihre Eisenbahn betreibt, scheinen diese Auffassung zu teilen. 54 Prozent äußerten sich in einer von der "Sunday Times" in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage "enttäuscht" von Blairs Leistung. 63 Prozent wollen, dass er bei der nächsten Parlamentswahl nicht mehr antritt. Nutznießer wäre Schatzkanzler Gordon Brown. Zwar ist er eng mit dem Projekt "New Labour" verbunden und genießt in Finanzkreisen hohes Ansehen. Aber mit seiner steuerlichen Umverteilungspolitik und dem konsequenten Eintreten für den staatlichen Gesundheitsdienst wäre er eine durchaus passable Gallionsfigur für die Parteilinke.

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