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Brüssel: EU-Kommission: Die zweite Reihe zählt auch was

Offenbar zieht die Bundesregierung hinter den Kulissen die Fäden, um auf wichtigen Posten unterhalb der Kommissarsebene einen Mann ihres Vertrauens zu platzieren. Die Amtszeit des einflussreichen Generalsekretärs des EU-Ministerrats, Pierre de Boissieu, läuft Ende des Jahres aus.

Das Kandidatenkarussell in Brüssel dreht sich, doch bei den Spitzenposten des ständigen EU-Ratspräsidenten und des EU-Außenministers mischen die Deutschen nicht mit. Weil sie keinen Kandidaten haben, der den Anforderungen entspräche: EU-Ratspräsident darf laut EU-Beschluss nur werden, wer in einem Mitgliedsland Regierungschef ist oder es einmal war. In Deutschland trifft dies nur auf Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder zu. Die beiden ersten Altkanzler kommen aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht infrage. Und dass die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht den SPD-Exkanzler nominieren will, ist verständlich. Die Entscheidungen sollen am heutigen Donnerstag fallen.

Ähnlich sieht es beim EU-Außenminister aus, der gleichzeitig als EU-Kommissar und Vizepräsident der EU-Kommission angehören wird. Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier wären zwar durchaus geeignete Kandidaten. Man wird der Bundeskanzlerin aber schwer vorwerfen können, dass sie weder die Neigung hat, den ehemaligen grünen Außenminister vorzuschlagen noch den amtierenden Oppositionschef. Denn nach mehr als 20 Jahren wollte die CDU wieder den deutschen Sessel in der EU-Kommission besetzen: Günther Oettinger, designierter EU-Kommissar, hat in den vergangenen Tagen das Brüsseler Terrain sondiert. Er hat mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und den Fraktionschefs im Europaparlament gesprochen.

Angeblich soll ihm Barroso signalisiert haben, dass er gute Chancen habe, die Nachfolge von Günter Verheugen als Industriekommissar anzutreten oder aber künftig Energiekommissar zu werden. Das wäre zwar nicht der Topjob in einem der wichtigen Bereiche wie Wirtschaft und Währung oder Wettbewerb, entspräche aber durchaus den Vorstellungen der Bundesregierung.

Offenbar zieht die Bundesregierung aber hinter den Kulissen die Fäden, um auf wichtigen Posten unterhalb der Kommissarsebene einen Mann ihres Vertrauens zu platzieren. Die Amtszeit des einflussreichen Generalsekretärs des EU-Ministerrats, Pierre de Boissieu, läuft Ende des Jahres aus. Obwohl Frankreich sehr daran interessiert ist, auch in den kommenden Jahren die Arbeit im EU-Ministerrat zu organisieren, könnte auch die Bundesregierung ihren Mann ins Rennen schicken. Als deutscher Kandidat wird der Europa-Abteilungsleiter im Kanzleramt Uwe Corsepius gehandelt.

Ähnlich einflussreich wird auch der Generalsekretär des Auswärtigen Dienstes der EU sein. Er wird in der neuen EU-Behörde als graue Eminenz im Hintergrund die Fäden ziehen. In Berlin denkt man offenbar daran, den EU-erfahrenen engen Mitarbeiter der Kanzlerin, Christoph Heusgen, für diese Schlüsselaufgabe nach Brüssel zu schicken. Welchen politischen Einfluss man dem künftigen Generalsekretär zutraut, lässt sich an der Entscheidung des amtierenden EU-Ratspräsidenten, des schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt ablesen, die Besetzung im Paket zusammen mit dem ständigen EU-Ratspräsidenten und dem EU-Außenminister zu entscheiden.

Da für alle drei Posten nach wie vor mehr als 20 Kandidaten im Spiel sind, rechnet man in Brüssel am Donnerstag nicht mit einer schnellen Entscheidung der 27 Staats- und Regierungschefs. „Es wird,“ so meinte am Mittwoch ein Brüsseler Diplomat indigniert, „vermutlich wieder eine lange Gipfelnacht.“

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