zum Hauptinhalt

Politik: Brüsseler Cocktail

In der EU ist ein offener Streit übers Geld ausgebrochen: Die Nettozahler wollen die Ausgaben begrenzen

Von Mariele Schulze Berndt, Brüssel, und ralph schulze,

madrid

Die Reaktionen aus der EU-Kommission waren widersprüchlich. Mit einem spektakulären Brief hatten die Geberländer in der Europäischen Union eine Auseinandersetzung über die mittelfristige Finanzplanung in der EU begonnen. Sie forderten die Kommission auf, als Obergrenze für den Haushalt der Europäischen Union ab 2007 ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung festzulegen. Kommissionspräsident Romano Prodi wies die Forderung zurück. „Wunder sind nicht meine Spezialität“, sagte er. Wenn man dem Vorschlag nachkomme, sei es „einfach nicht möglich, das zu tun, was die Mitgliedstaaten und alle anderen von der EU erwarten“. Auch der Präsident des Europaparlaments, Pat Cox, warnte vor dem „politischen Cocktail“ der Finanzierungsdebatte, der nur schwer zu entschärfen sei.

Erweiterungskommissar Günter Verheugen zeigte dagegen Verständnis für die Nettozahler. In der Kommission werde dieses Thema kontrovers diskutiert, sagte er am Dienstag. Man könne doch nicht von den Mitgliedstaaten verlangen, dass sie ihre Haushalte konsolidieren und gleichzeitig zusätzliche Summen in Milliardenhöhe für den EU-Haushalt bereitstellen.

Auf Initiative des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson hatten Berlin, Paris, London, Den Haag, Stockholm und Wien Prodi mitgeteilt, die Obergrenze für die Ausgaben in der EU nach 2007 müsse bei einem Prozent des Bruttonationaleinkommens bleiben. Im kommenden Mai wird die EU auf 25 Mitglieder anwachsen.

Die Unterzeichner des Briefs an Prodi wiesen den Vorwurf zurück, es gebe einen Zusammenhang zum Brüsseler Verfassungsgipfel, der am Wochenende vor allem an der Blockade der beiden Nettoempfänger Polen und Spanien gescheitert war. Der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz lehnte die Aufforderung der sechs ab. Das erweiterte Europa könne nicht nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche funktionieren, sagte er. In Spanien titelte die Zeitung „ABC“, das konservative Sprachrohr der Regierung von Premierminister José Maria Aznar: „Deutschland und Frankreich bestrafen Spanien". Aznar befürchtet, dass Spanien nun die Rechnung für seine Blockade beim Brüsseler Gipfel bezahlen soll.

Im vergangenen Jahr erhielt Spanien aus Brüssel noch unter dem Strich (also nach Abzug des Madrider Beitrages für die EU) 8,6 Milliarden Euro ausgezahlt. Dies wird auch in den kommenden drei Jahren, deren Finanzrahmen bereits mit der EU-„Agenda 2000" besiegelt wurden, nur geringfügig weniger werden. Bei der dann anstehenden Neuverteilung des Brüsseler Geldregens von 2007 an wird Spanien den Gürtel jedoch deutlich enger schnallen müssen.

Die Brüsseler Haushaltskommissarin Michaele Schreyer räumte ein, dass das Gewicht der Nettozahler nicht zu unterschätzen ist: „Man muss den Brief der sechs ernst nehmen, denn sie finanzieren 80 Prozent des EU-Haushaltes,“ sagte sie dem Tagesspiegel. Ende Januar will sie den Entwurf der Kommission für die mittelfristige EU-Finanzplanung zwischen 2007 und 2013 vorlegen.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel], ralph sc

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false