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Politik: BSE: Von verrückten Kühen und schwarzen Schafen

So einfach lässt man sich in Bayern den Schwarzen Peter nicht zuschieben. Von wegen fahrlässig gehandelt, von wegen Rücktritt.

So einfach lässt man sich in Bayern den Schwarzen Peter nicht zuschieben. Von wegen fahrlässig gehandelt, von wegen Rücktritt. Nach den schweren Vorwürfen aus Brüssel, dass Bayern nicht streng genug kontrolliert habe, stellten sich am späten Freitagmittag Bayerns Gesundheitsministerin Barbara Stamm und Landwirtschaftsminister Josef Miller (beide CSU) vor die Presse und verkündeten: "Der Bericht der EU bringt keine neuen Erkenntnisse. Die angeblichen Mängel sind schlicht nur die halbe Wahrheit." Und Stamm fügten selbstbewusst hinzu: "Ich akzeptiere Rücktrittsforderungen nicht, und ich werde ihnen auch nicht nachkommen." Stattdessen spielten die Bayern den Ball einfach zurück nach Brüssel und warfen der EU vor, "halbherzig" schärfere Verbote bei der Fütterung von Tiermehl zu verhindern.

Dass ausgerechnet die CSU-Minister darauf hinwiesen, dass diese EU-Erkenntnisse nicht neu seien, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Vor allem Bayerns SPD wird es mit Erstaunen vernommen haben. Denn die Sozialdemokraten waren es, die in den letzten Jahren stets auf das Problem aufmerksam gemacht hatten. Damals hatte es die CSU allerdings nicht besonders interessiert.

Was nämlich nicht neu ist, ist die Tatsache, dass die Hälfte des Tierfutters in Deutschland von privaten Unternehmern gemischt wird, die mit ihren Anlagen durch die Republik touren und keine amtliche Genehmigung brauchen. Oder die Tatsache, dass für gewöhnlich Tiermehl-Rückstände in den Maschinen hängen bleiben, durch deren Röhren danach andere, "saubere" Rezepturen laufen.

Schnelltests lehnte die CSU ab

Die SPD hat im Landtag seit 1994 auf die Gefahren durch BSE hingewiesen und in mehreren Dringlichkeitsanträgen versucht, die Verfütterung von Tiermehl in Bayern zu stoppen. Der letzte Antrag von Oktober 1999 orientierte sich an der Schweiz, die nach den ersten Fällen im Lande sofort BSE-Schnelltests eingeführt hatte. Er wurde mit der Mehrheit der CSU abgelehnt. Nun sucht der SPD-Agrarexperte Gustav Starzmann die Schuld für die verrückten Kühe allein bei den schwarzen Schafen. Es könne doch nicht sein, "dass man in einer BSE-Situation sieben lange Wochen braucht, bis man die Bevölkerung informiert", wie im Falle des ersten offen ausgebrochenen Rinderwahns in Rottenbuch bei Weilheim geschehen.

Liest man den Bericht der Beamten des EU-Veterinäramts (FVO), die in Bayern die Umsetzung der EU-Vorsichtmaßnahmen kontrolliert haben, wird klarer, warum der Freistaat besonders von der BSE-Krise betroffen ist.

Kleinlautes Eingeständnis

Auf 35 Seiten haben die EU-Beamten zusammengetragen, was ihnen bei der Kontrolle der Kontrolleure aufgefallen ist. Schon 1994 hatte die EU die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer verboten. Später kamen weitere Vorsichtmaßnahmen im Kampf gegen BSE dazu: Von der Pflicht zum lückenlosen Nachweis der Herkunft der Rinder bis zur Vernichtung des so genannten Risikomateirals. Die Umsetzung der EU-Richtlinien ist jedoch Ländersache.

In ihrem internen Bericht, der den EU-Mitgliedsländern zugestellt wurde, ist vor allem von der Pflicht zur Identifikation der Schlachtrinder und der Überwachung des Verfütterungsverbots von Tiermehl in Bayern und Nordrhein-Westfalen die Rede. Während die Behörden der Düsseldorfer Landesregierung auf festgestellte Mängel relativ zügig reagierten und zumindest versuchten, die Missstände zu beheben, deckten die EU-Kontrolleure in Bayern nicht nur skandalöse Schlampereien in den Tiermittelfabriken und Schlachthöfen auf, sondern auch in den bayrischen Behörden.

So mussten die bayrischen Beamten ihren Brüsseler Kollegen kleinlaut eingestehen, dass sie erst im Juli 1999 begonnen hatten, die Vorschriften zur Identifikation der Rinder auch zu kontrollieren. Eigentlich hätten jedes Jahr rund zehn Prozent der Bestände, 8900 Tiere, kontrolliert werden sollen. Tatsächlich jedoch prüften die bayrischen Beamten, oder der damit beauftragte "Milchprüfring", lediglich 1541 Tiere, gerade 1,73 Prozent des Rinderbestandes. Bei mehr als der Hälfte der Kontrollen, in 851 Fällen, stellten sich mehr oder weniger schwere Regelverletzungen heraus. Doch Strafen verhängten die Bayern nur gegen 20 Höfe.

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