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Politik: Buchverbrennung – Angeklagter fühlt sich missverstanden

Magdeburg - Der Anwalt von Lars K. trägt mit klarer Stimme vor.

Von Frank Jansen

Magdeburg - Der Anwalt von Lars K. trägt mit klarer Stimme vor. „Es tut meinem Mandanten leid, dass er falsch verstanden worden ist“, sagt Thomas Jauch am Montag – und verliest ein zumindest erstaunliches Geständnis. Ja, der Angeklagte habe das Tagebuch der Anne Frank ins Feuer geworfen. Aber nicht, um das Schicksal des jüdischen Mädchens zu verharmlosen. Sein Mandant habe sich von einem bösen Kapitel der deutschen Geschichte „befreien wollen“, sagt der Verteidiger. Durch den Wurf des Buches ins Feuer habe sich der Angeklagte „symbolisch reinigen wollen“. Der Sinn eines Sonnenwendfeuers sei, „Missstände zu vergessen und der Zukunft optimistisch entgegenzusehen“. Lars K. bedauere, „dass das schiefgegangen ist“.

Der Auftakt im Prozess um die Verbrennung des Tagebuchs der Anne Frank in der Ortschaft Pretzien (Sachsen-Anhalt) gerät bizarr und rummelig. Der Medienandrang am Landgericht Magdeburg ist enorm, sogar ein japanisches Fernsehteam filmt. Obwohl es nicht, wie sonst bei Prozessen mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund üblich, um einen gewaltsamen Angriff auf Menschen geht. Doch der Vorfall, der sich am Abend des 24. Juni 2006 in Pretzien ereignete, hat enorme Empörung ausgelöst. Wegen der symbolischen Wucht der doppelten Provokation: Bei der öffentlichen „Sommersonnenwendfeier“ in dem Dorf, vor 60 bis 80 Zuschauern, wurde die Bücherverbrennung der Nazis imitiert – und mit dem Tagebuch der Anne Frank ging ein Stück Weltliteratur in Flammen auf, das den Schrecken des Holocaust so eindringlich schildert wie kaum ein anderes.

Sieben Männer im Alter zwischen 24 und 29 Jahren müssen sich vor dem Amtsgericht Schönebeck verantworten, das angesichts des zu erwarteten Medieninteresses ins Landgericht Magdeburg umgezogen ist. Staatsanwalt Arnold Murra hält den Angeklagten im Kurzhaarlook Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor. Nur Lars K., 25, lässt sich von Richter Eike Bruns und Murra befragen. Er habe an dem Abend seine Freundin gebeten, ihm das Buch zu bringen, weil er es „los werden“ wollte, sagt K. nuschelig. Die anderen hätten nichts geahnt. Und er habe beim Wurf ins Feuer nicht, wie in der Anklage steht, „sowieso nur alles Lügen“ geäußert. Auf die Frage des Richters nach der politischen Haltung der Clique sagt K., „neutral, vielleicht ’n bisschen rechts angehaucht“.

Der Verteidiger von Marc P., 29, trägt auch eine Erklärung seines Mandanten vor. Marc P. habe an dem Abend eine US-Flagge den Flammen übergeben, um seinen Protest gegen die Politik der Amerikaner im Irak zum Ausdruck zu bringen – damit er sich ebenfalls „von einer Last befreit“. Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

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