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Politik: Bücklinge

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Zu den alten Sitten, die in Vergessenheit geraten sind, zählt der Kotau. Metaphorisch ist er ja noch geläufig, auch in der „Bauchlandung“ steckt er verborgen.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Zu den alten Sitten, die in Vergessenheit geraten sind, zählt der Kotau. Metaphorisch ist er ja noch geläufig, auch in der „Bauchlandung“ steckt er verborgen. Aber wer weiß denn schon, wie er formvollendet zu vollziehen ist? Drei tiefe Bücklinge, neun Mal sich bäuchlings zu Boden werfend – so hatte sich der Untertan dem Thron des Kaisers von China zu nähern. Der Brauch hat die Diplomatie des 19. Jahrhunderts ein bisschen schwierig gestaltet. Im abendländischen Protokoll wurde Bodenturnen nicht gelehrt. Auch kratzte die Prozedur sowohl an den polierten Knöpfen der Diplomatenfräcke als auch am Selbstbewusstsein ihrer Träger. Die Stunde der Revanche schlug beim „Boxeraufstand“. Um den Mord an dem deutschen Gesandten zu entschuldigen, mussten die Chinesen einen Prinzen zu Wilhelm Zwo schicken zwecks einer „Sühne-Mission“. Es bedurfte längerer Verhandlungen, um Wilhelm von der Idee abzubringen, dass sich jetzt der Chinese vor ihm in den Staub schmeißen sollte. Aber verbeugen, verbeugen und ein hochnotpeinliches Entschuldigungsschreiben im Grottensaal des Neuen Palais zu Potsdam laut verlesen, das musste der Prinz. Woraufhin, wir zitieren einen Zeitzeugen, „der Kaiser und König sich Allerhöchst bewogen gefunden, durch Empfang des Prinzen Tschun das durch China zum Ausdruck gebrachte tiefe Bedauern über die vorjährigen Ereignisse entgegenzunehmen“. Das hatte Stil. Dagegen heute – ein dürrer Satz in der „Bild“: „…habe mich beim Bundeskanzler für das Versehen meines Ministeriums entschuldigt.“ Hören Sie mal, Kanzler: Wenn der Struck schon den Kotau leisten muss, dann richtig! Sie wissen jetzt ja, wie das geht.

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