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Das syrische Regime fliegt Luftangriffe gegen die von Rebellen besetzten Gebiete. Doch die Aufständischen können mittlerweile auch zurückschießen.

© AFP

Bürgerkrieg in Syrien: Endkampf um Damaskus

Der Bürgerkrieg in Syrien hat sich in den letzten Tagen dramatisch zugespitzt. Offenbar hat der Kampf um Damaskus begonnen, der letzten noch intakten Machtbastion des Regimes von Bashar al-Assad. Doch mit dem Sturz des Machthabers fängt der Schrecken erst an, meinen Beobachter.

Die Gefechte zwischen Aufständischen und loyalen Truppen greifen auf immer mehr Stadtteile der Millionen-Metropole über sowie auf die Umgebung des 25 Kilometer vom Zentrum entfernten Internationalen Flughafens. Präsident Barack Obama warnte die syrischen Machthaber eindringlich davor, angesichts der drohenden Niederlage jetzt auch Chemiewaffen einzusetzen. Nach Angaben aus Washington haben die USA Hinweise, dass an einigen der rund 75 im ganzen Land verteilten Chemiewaffendepots das Nervengas Sarin angemischt werden soll. Die Vereinten Nationen und die Europäische Union zogen angesichts der immer brutaler werdenden Kämpfe und der Giftgasgefahr den Großteil ihres Personals aus Damaskus ab.

Tags zuvor hatte eine aus Kairo kommende Maschine von Egypt Air abdrehen müssen, weil dem Piloten wegen der Gefechte eine Landung in Damaskus zu gefährlich erschien. Das Unternehmen sagte daraufhin für die kommenden Tage alle Flüge nach Syrien ab. Den Rebellen gelang es unterdessen zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen, ein MiG-Kampfflugzeug mit einer Boden-Luft-Rakete abzuschießen. Ein Video zeigt Kämpfer, die einen der Piloten davonschleppen, der sich mit dem Schleudersitz retten konnte. Assads Truppen haben in weiten Teilen des Landes ihre Übermacht auf dem Boden eingebüßt, so dass das Regime seinen Krieg inzwischen vor allem aus der Luft führt. Nach eigenen Angaben haben die Rebellen bei der Eroberung einer großen Kaserne nahe Aleppo mehrere Dutzend Flugabwehrraketen vom Typ Sam-16 in ihre Gewalt bringen können. Unter den Aufständischen befindet sich zumindest ein übergelaufener Soldat aus einem Luftabwehr-Bataillon, der mit dieser Waffe umgehen kann. Die Fähigkeit der Aufständischen, jetzt auch Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge abzuschießen, hat offenbar die Kampfmoral der Assad-Truppen geschwächt und könnte eine militärische Wende in dem verheerenden Bürgerkrieg bedeuten.

„Assad und allen unter seinem Kommando will ich absolut klarmachen – die Welt hat euch im Auge“, sagte der US-Präsident. Der Einsatz von Chemiewaffen sei absolut inakzeptabel. Geschehe dieser tragische Fehler dennoch, werde das Konsequenzen haben und man die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Die USA arbeiten bereits seit Monaten an Plänen, in einem solchen Fall die Chemiewaffendepots des Assad-Regimes mit einer Eingreiftruppe von außen unter Kontrolle zu bringen. Offenbar sollen dann jordanische und türkische Einheiten unter der Führung von amerikanischen Spezialisten die tödlichen Chemikalien auf syrischem Boden sicherstellen. Dazu hatten die USA bereits vor Monaten eine 150-köpfige Sondereinheit nach Jordanien verlegt.

Der Zusammenbruch des Regimes kann die ganze Region destabilisieren.

Ein Sprecher des syrischen Außenministeriums erklärte im Fernsehen, Syrien werde „niemals, unter keinen Umständen, Chemiewaffen gegen das eigene Volk einsetzen, falls es sie überhaupt gibt.“ Der bisher amtierende offizielle Sprecher des Außenministeriums, Jihad Makdissi, hatte sich zuvor über Beirut nach London abgesetzt und nach Angaben eines Vertrauten mit dem Regime gebrochen. Makdissi gehört der christlichen Minderheit an und verteidigte 20 Monate lang gegenüber den Medien die Politik von Bashar al-Assad.

In dem syrischen Bürgerkrieg sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisation bisher mindestens 41.000 Menschen gestorben, tausende gelten als vermisst. Mehr als drei Millionen Syrer sind im Land selbst als Flüchtlinge unterwegs oder haben in den Nachbarstaaten Türkei, Irak, Libanon, Jordanien und Ägypten Zuflucht gesucht. Letzte Woche hatte UN-Vermittler Lakhdar Brahimi noch einmal eindringlich davor gewarnt, Syrien werde zu einem „gescheiterten Staat“ werden, wenn es nicht bald zu politischen Verhandlungen über einen Machttransfer komme. Ein chaotischer Zusammenbruch des Regimes werde „verheerende Konsequenzen für die ganze Region haben“, zu Anarchie, Bandenherrschaft, Drogen- und Waffenhandel führen und – als schlimmstem von allem – zu ethnischen Kämpfen.

Syrien besitzt neben den USA, Russland und Nordkorea das größte Chemiewaffenarsenal der Welt. Die vier Produktionsstätten für Giftgas liegen nahe der Städte Aleppo, Latakia, Homs und Hama. Nach Angaben des im Sommer zu den Rebellen übergelaufenen ehemaligen Chefs des syrischen Chemiewaffenprogramms, Generalmajor Adnan Sillu, habe es bereits im Frühjahr bei Lagebesprechungen im zentralen Giftgasdepot nahe Damaskus „ernsthafte Diskussionen über die Nutzung von Chemiewaffen gegeben, einschließlich wie und wo sie eingesetzt werden sollen”. An den Treffen hätten auch Mitglieder der iranischen Revolutionären Garden teilgenommen. Die syrische Armee könnte das Giftgas mit Artilleriemunition oder Raketen verschießen oder aus Flugzeugen abwerfen.

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