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Sicherheitsrat in New York. Das Gremium könnte ein Militärschlag gegen die Truppen des syrischen Machthabers Assad legitimieren.

© dpa

Bürgerkrieg in Syrien: Großbritannien legt Sicherheitsrat Resolution gegen Assad vor

Großbritannien will einen Militärschlag gegen die Truppen Assads vom UN-Sicherheitsrat legitimieren lassen. Auch die Bundesregierung ist zu "Konsequenzen" gegen Syriens Regime bereit, hält sich aber alle Optionen offen.

Großbritanniens Premierminister David Cameron wird dem UN-Sicherheitsrat am Mittwoch den Entwurf für eine Syrien-Resolution vorlegen. Damit soll das Gremium nach dem Wunsch Großbritanniens „notwendige Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten“ autorisieren. Zuvor hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor einem Militärschlag gewarnt und zu einer diplomatischen Lösung aufgerufen.

Der Weltsicherheitsrat müsse darüber Einigkeit erzielen, forderte Ban Ki Moon am Mittwoch in Den Haag. „Der UN-Sicherheitsrat muss seine politische Verantwortung behalten.“ Zugleich warnte er vor einem voreiligen Militärschlag. Zunächst müsse es Gewissheit über den mutmaßlichen Einsatz von Giftgas geben. Die UN-Inspekteure, die derzeit dazu in der Nähe von Damaskus Untersuchungen durchführen, müssten ihre Arbeit abschließen. „Sie brauchen Zeit, um ihre Arbeit zu tun“, sagte der Generalsekretär.

Niebel und Polenz: Militärschlag gegen Syrien ohne UN-Mandat legitim

Die Bundesregierung hält einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates für nicht zwingend notwendig, falls sich die USA und Verbündete zu einem Militärschlag entschließen. „Die Bundesregierung und auch die FDP haben immer gesagt: kein militärischer Einsatz ohne internationales Mandat“, sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel der „Stuttgarter Zeitung". Allerdings handele es sich bei dem Giftgasangriff gegen die syrische Bevölkerung - für den die USA das Regime von Baschar al Assad verantwortlich machen - „offensichtlich um einen groben Verstoß gegen das Völkerrecht, der eine militärische Reaktion legitimieren kann“.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag erklärt, Deutschland sei zu „Konsequenzen“ bereit, falls sich die Giftgasvorwürfe gegen Syriens Machthaber Baschar al Assad bestätigen. Die Bundesregierung ließ jedoch offen, wie solche Konsequenzen aussehen könnten.

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, hält Militärschläge ohne ein Mandat des Sicherheitsrats für eine legitime Konsequenz nach einem Einsatz von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung. „Wenn der UN-Sicherheitsrat aufgrund einer Blockade von Veto-Mächten solche Konsequenzen nicht zieht, bleibt die internationale Gemeinschaft trotzdem dazu aufgefordert und berechtigt“, sagte der CDU-Politiker dem „Handelsblatt Online“. Die sogenannte Schutzverantwortung der Vereinten Nationen (Responsibility to protect - R2P) gebe dafür eine „klare völkerrechtliche Grundlage“.

Der Experte Markus Kaim von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin hält das jedoch zumindest für „problematisch“. Klar definiert sei das Recht auf militärische Aktionen nur im Falle von Selbstverteidigung oder mit einem Mandat des Sicherheitsrats“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder (CDU), rechnet nicht mit einer deutschen Beteiligung an einem möglichen Militärschlag gegen Syrien. „Deutschland kann nur im Rahmen von Nato, EU oder UNO agieren. Ein solches Mandat sehe ich nicht“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Erneut sprach er sich für eine politische Lösung des Konflikts gemeinsam mit China und Russland aus. Ansonsten werde der „Stellvertreterkrieg“ in Syrien weitergehen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte Bund und Kommunen auf, mehr Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland aufzunehmen. „Es sind bisher 4500 Syrer zu uns gekommen. Die Nachbarländer Syriens haben inzwischen mehr als eine Million Menschen aufgenommen“, sagte Steinbrück der „Stuttgarter Zeitung“ (Mittwoch). „Angesichts solcher Zahlen von einer Überforderung Deutschlands zu schwadronieren, ist absolut unangemessen.“ Insgesamt müsse die Bundesregierung die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern stärker unterstützen, auch mit mehr Geld.

Kämpfe in Syrien gehen trotz Angriffsdrohungen unvermindert weiter

Sicherheitsrat in New York. Das Gremium könnte ein Militärschlag gegen die Truppen des syrischen Machthabers Assad legitimieren.
Sicherheitsrat in New York. Das Gremium könnte ein Militärschlag gegen die Truppen des syrischen Machthabers Assad legitimieren.

© dpa

Auf das Kampfgeschehen im syrischen Bürgerkrieg haben die westlichen Vorbereitungen für einen Militärschlag gegen das Regime bislang keine Auswirkungen. Auch der Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija, in dem die Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen an diesem Mittwoch nach Spuren eines Giftgas-Einsatzes suchen sollen, wurde von den Regierungstruppen in der Nacht zum Mittwoch wieder bombardiert. Das meldete die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter. Die oppositionelle Muslimbruderschaft berichtete, die Rebellen hätten am Vortag 49 Soldaten der Truppen von Präsident Baschar al Assad getötet.

Militärintervention könnte binnen Tagen kommen

Die USA legen sich immer stärker darauf fest, dass die syrische Regierung hinter dem Giftgas-Angriff nahe Damaskus steht. “Es gibt keinen Zweifel daran, wer für diesen abscheulichen Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich ist: Das syrische Regime“, sagte US-Vize-Präsident Joe Biden am Dienstagabend als bislang ranghöchster Politiker. Wer wehrlose Männer, Frauen und Kinder mit Chemiewaffen angreife, müsse zur Verantwortung gezogen werden. Die USA und Großbritannien machten jedoch deutlich, dass es bei einem Militärschlag gegen Syrien nicht darum gehe, die Regierung von Syriens Präsident Baschar al Assad zu stürzen. “Es geht um eine Antwort auf eine klare Verletzung internationaler Standards, die den Einsatz chemischer Waffen verbieten“, erläuterte US-Präsidentensprecher Jay Carney. Kreisen zufolge ist mit einem Militärschlag binnen weniger Tage zu rechnen. Derzeit befinden sich Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen in Damaskus, um den mutmaßlichen Angriff zu untersuchen, bei dem nach Rebellenangaben Hunderte Menschen starben. Sie fuhren am Mittwoch ein zweites Mal in die Vororte der Hauptstadt, die nach Oppositionsangaben mit Raketen beschossen worden waren, die mit dem Nervengas Sarin oder ähnlichem bestückt waren.

Bei einem Treffen des oppositionellen Syrischen Nationalkoalition mit Vertretern von elf Ländern sei ein Militärschlag binnen weniger Tage angekündigt worden, sagte ein Teilnehmer der Nachrichtenagentur Reuters. Der genaue Zeitpunkt dafür ist unklar. Vorher dürfte noch ein US-Geheimdienstbericht veröffentlicht werden, aus dem hervorgehen dürfte, dass die Regierung in Damaskus für den Angriff verantwortlich ist. Damit ist nach Angaben eines US-Regierungsvertreters noch in dieser Woche zu rechnen. “Die Uhr tickt, und die Regierung wird sie nicht zulange ticken lassen“, sagte Adam Schiff, demokratisches Mitglied des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus.

US-Angriff mit Marschflugkörpern wird immer wahrscheinlicher

Die USA erwägen Angriffe mit Marschflugkörpern gegen syrische Ziele. US-Präsident Barack Obama habe aber noch keine Entscheidung über einen Angriff getroffen, sagte sein Sprecher. Der britische Premierminister David Cameron berief für Donnerstag das Parlament ein, um über das Thema zu beraten. Ein Militärschlag sei auf spezifische Ziele begrenzt, sagte er. Es gehe nicht darum, in einen Nahost-Krieg hinein- oder tiefer in den Syrien-Konflikt gezogen zu werden, sagte er in London.

Australien will einen Militärschlag gegen Syrien im Zweifelsfall auch ohne UN-Mandat unterstützen, wie Außenminister Bob Carr sagte. Das Land übernimmt am Sonntag den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Die Vetomacht Russland gehört zu den Verbündeten Assads und geht davon aus, dass Rebellen hinter dem Giftgaseinsatz stehen. In China, das ebenfalls ein Vetorecht hat, warf die offizielle Volkszeitung der kommunistischen Partei den USA und ihren Verbündeten vor, illegal einen Regimewechsel in Syrien anzustreben.

Syriens Regierung kündigte an, sich gegen einen Militärschlag zu wehren. “Wir haben die Möglichkeiten, uns zu verteidigen, und wir werden sie mit diesen überraschen, falls nötig“, sagte Außenminister Walid al-Mualem. “Wir werden nicht zögern, alle möglichen Mittel einzusetzen.“ Allerdings reagierten die Streitkräfte nicht oder kaum auf drei israelische Luftschläge gegen mutmaßliche Waffenlieferungen des Iran an die libanesische Hisbollah.

Iran warnt Westen: Syrien-Krieg würde auch Israel bedrohen

Ein möglicher Krieg in Syrien würde nach Einschätzung des Irans auch Israel bedrohen. „Wir warnen den Westen: Im Falle eines Krieges in Syrien sollten sie sich auch um ihr illegitimes Kind (Israel) in der Region große Sorgen machen“, sagte Parlamentspräsident Ali Laridschani am Mittwoch nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna. Er warf dem Westen vor, mit einem Militärschlag ohne UN-Mandat das internationale Recht zugunsten Israels zu ignorieren. Der Westen solle sich bewusst sein, dass er zwar über den Beginn einer militärischen Option in Syrien selber entscheiden könne, „nicht aber über deren Ende“, so Laridschani.
Der Iran steht im Konflikt auf der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Teherans engster Verbündeter im Kampf gegen den Erzfeind Israel. (AFP/dpa/Reuters)

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