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Der Dritte Strafsenat beim Bundesgerichtshof kippt das Urteil im Völkermord-Prozess gegen einen ehemaligen ruandischen Bürgermeister. Das Verfahren wird nun ans Oberlandesgericht Frankfurt zurückverwiesen.

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Bundesgerichtshof kippt Völkermord-Urteil: Frankfurter Ruanda-Prozess muss neu aufgerollt werden

Der Bundesgerichtshof kippt ein Urteil des Oberlandesgerichts und macht damit den Weg frei, für eine mögliche Verurteilung eines ehemaligen Hutu-Bürgermeisters wegen Mittäterschaft am Völkermord in Ruanda.

21 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda macht der Bundesgerichtshof (BGH) den Weg frei für die Verurteilung eines in Deutschland lebenden Angeklagten zu lebenslanger Haft. Der Staatsschutzsenat des BGH hob am Donnerstag die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt auf, das den angeklagten ehemaligen Bürgermeister lediglich als Gehilfen bei einem Massaker an mindestens 450 Tutsi verurteilt hatte, und verwies den Fall zurück. Eine andere Kammer des OLG Frankfurt soll nun Mittäterschaft prüfen. Auf Mittäterschaft am Völkermord steht lebenslange Freiheitsstrafe. Bisher war der Angeklagte Onesphore Rwabukombe wegen Beihilfe zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte laut Gericht 1994 Hutu-Rebellen mit Aufrufen wie „An die Arbeit!“ angefeuert, die in eine Kirche geflüchteten Tutsis grausam zu töten. Später floh der Ex-Politiker und lebte in Hessen.

Erstmals wird ein Genozid in Afrika in Deutschland strafrechtlich verfolgt

Das Frankfurter Gericht hielt Onesphore Rwabukombe in seinem Urteil zugute, dass er vor und nach dem Kirchenmassaker die Volksgruppe der Tutsi relativ fair behandelt habe und sie nicht vernichten wollte. Das genügt laut BGH nicht; auch wenn der Angeklagte nur Teile der Tutsi ausrotten wollte, sei das Völkermord. Es ist das erste Mal, dass ein Genozid in Afrika in Deutschland strafrechtlich verfolgt wurde, noch dazu Jahre danach. Die Beweise stützten sich ausschließlich auf Zeugenaussagen von Überlebenden, aber auch Tatbeteiligten aus Ruanda. Die Bundesanwaltschaft hatte zusammen mit dem Bundeskriminalamt aufwendig ermittelt. Der erste Prozess in Frankfurt hatte drei Jahre gedauert. Am OLG Stuttgart läuft ebenfalls seit Jahren ein Verfahren gegen ruandische Staatsbürger, denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden.

In ungewöhnlich deutlichen Worten forderte Jörg Peter Becker, Vorsitzender des BGH-Staatsschutzsenats, vom Bund eine bessere Ausstattung der Justiz für solche Groß-Verfahren. Deutschland habe sich „dafür stark gemacht“, dass Völkermord an jedem Ort der Welt strafrechtlich verfolgt werde. Täter sollen in Deutschland vor Gericht gestellt werden, auch wenn sie aus dem außereuropäischen Ausland stammen und auf einem fernen Kontinent Genozide verübten. Im Namen des BGH-Senats sagte Becker: „Wir halten das für richtig, dass wir das tun.“ Dann sei es aber auch „Sache der Politik, die Justiz dazu zu befähigen, diese Verfahren zu führen.“ Man sehe „mit zunehmender Sorge, dass hier die Kapazitäten überschritten werden.“ Das gelte auch für die Oberlandesgerichte, die bei Völkermord erste Gerichtsinstanz sind. Abhilfe sei „dringend erforderlich“ und der „Bund in der Pflicht“. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass allgemeine rechtliche Grundsätze nicht mehr eingehalten werden.  Es ist das erste Mal, dass der eher zurückhaltende Vorsitzende Becker so deutliche Worte an die Politik richtet.

Die Strafsenate sind bei Großverfahren über Jahre gebunden

Das Problem der Strafsenate besteht darin, dass die Kräfte bei Großverfahren über Jahre gebunden sind. Die „normalen“ Strafverfahren müssen aber ebenfalls zügig bearbeitet werden. Wenn Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen, der Prozess aber über Monate oder Jahre nicht eröffnet wird, müssen sie aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Drei Jahre wird das neue Verfahren gegen den ehemaligen ruandischen Bürgermeister allerdings nicht mehr beanspruchen. Denn es wird am OLG Frankfurt keine neue Beweisaufnahme mehr geben. Der BGH ließ die getroffenen Feststellungen bestehen. Dass der angeklagte Ex-Bürgermeister an dem Massaker mitwirkte, steht damit rechtskräftig fest.  Es wird allein darum gehen, ob sein Verhalten rechtlich als Völkermord zu bewerten ist oder „nur“ als Beihilfe.

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