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Bundespräsident Joachim Gauck and Chinas Präsident Xi Jinping schreiten vor der Großen Halle des Volkes in China die Ehrengarde ab.

© Reuters

Bundespräsident Joachim Gauck in China: Vom Nutzen des Reinredens

Warum Bundespräsident Joachim Gauck in China deutliche Worte zu fehlenden Menschenrechten und mangelnder Rechtsstaatlichkeit finden sollte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Benedikt Voigt

Man kann natürlich in China so auftreten wie Mark Zuckerberg. Der Facebook-Gründer postete am Freitag nach seiner Ankunft in Peking ein Foto, auf dem er lachend über den Platz des Himmlischen Friedens joggt, obwohl der graue Himmel über ihm von gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung kündet. Es war einer jener Pekinger Tage, an denen verantwortungsvolle Eltern ihre Kinder in der luftgefilterten Wohnung lassen und mancher Passant zur Atemmaske greift. Zuckerbergs fröhlicher „Smog Jog“ war ignorant und gesundheitlich dämlich, doch er drückt auch sehr gut seine Einstellung aus, mit der er sich seit geraumer Zeit an die chinesische Politik anbiedert. Zwar ist sein Interesse an China auch privater Natur, Mark Zuckerberg ist mit einer chinesischstämmigen US-Amerikanerin verheiratet. Beruflich aber haben ihm die Schmeicheleien bislang wenig gebracht: Facebook ist in China weiterhin geblockt.

Auch Anbiederung muss also im „Sozialismus chinesischer Prägung“ nicht automatisch Erfolg versprechen – das sollte Joachim Gauck eigentlich beruhigen. Der deutsche Bundespräsident vollführt bei seinem aktuellen Besuch in China den schwierigen Spagat, einerseits die gewichtigen wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vertreten zu müssen. Andererseits ist Joachim Gauck durch seine eigene DDR-Vergangenheit geradezu prädestiniert dafür, die aktuellen politischen Verhältnisse in China vehement zu kritisieren.

Als Chinese wäre Joachim Gauck gleich doppelt von einer Verhaftung bedroht

Wäre Joachim Gauck ein Chinese, wäre er angesichts der aktuellen innenpolitischen Verhärtung als Bürgerrechtler und evangelischer Pastor gleich doppelt von einer Verhaftung bedroht. Und auch als Bundespräsident eines Landes mit nationalsozialistischer und sozialistischer Vergangenheit muss er fehlende Menschenrechte und mangelnde Rechtsstaatlichkeit in China deutlich ansprechen. Das hat er im Gespräch mit Staatspräsident Xi Jinping bereits getan, und er dürfte es in seiner Rede am Mittwoch an der Schanghaier Tongji-Universität wiederholen.

Der diplomatische Schaden deutlicher Worte muss nicht dauerhaft sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist in China einst als „Hexe“ bezeichnet worden, weil sie es 2007 gewagt hatte, den Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter, zu empfangen. Inzwischen reist sie mindestens einmal pro Jahr nach China und gilt dort als wichtigste Ansprechpartnerin in Europa.

Unmittelbaren Nutzen werden Gaucks Worte kaum besitzen. Zwar wird die Meinung Deutschlands in China durchaus wertgeschätzt. Doch in innenpolitische Angelegenheiten lässt sich das autokratisch regierte Land generell nicht reinreden. Die Kontrolle der eigenen Bevölkerung zählt zu den Merkmalen des Führungsanspruchs der Kommunistischen Partei. Doch Verhältnisse können sich ändern, selbst in China.

Vor den Olympischen Spielen 2008 mussten Chinas Medien den Smog in Peking euphemistisch „Nebel“ nennen. Inzwischen ist der Kampf gegen die Luftverschmutzung politische Chefsache. So ist das nämlich mit anhaltender Kritik: Sie kann irgendwann Verhältnisse verbessern, selbst in China.

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