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Bundesrat: Verbot organisierter Sterbehilfe verschoben

Nach jahrelanger Diskussion hatte sich nun ein Erfolg für die Gegner der Sterbehilfe abgezeichnet. Der Bundesrat befasste sich am Freitag mit dem gesetzlichen Verbot, doch konnte sich nicht auf eine Strafrechtsvorschrift einigen. Das Problem wurde jetzt auf die Zeit nach der Sommerpause vertagt.

Der Bundesrat will gegen organisierte Sterbehilfe in jedem Fall gesetzlich vorgehen, hat sich aber am Freitag noch nicht auf eine Strafrechtsvorschrift einigen können. Wegen ungelöster schwerwiegender rechtlicher Probleme wurde eine Initiative zur Schaffung eines neuen Straftatbestands gegen die Gründung von Vereinen, die Unterstützung bei einer Selbsttötung versprechen, zunächst auf die Zeit nach der Sommerpause vertagt.

Mit breiter Mehrheit verabschiedete die Länderkammer stattdessen lediglich einen Entschließungsantrag - auch unter dem Eindruck des jüngsten Falls, in dem der Hamburger Ex-Senator Roger Kusch einer 79-jährigen, nicht schwerkranken Frau bei der Selbsttötung geholfen hatte. In dem Antrag wird betont, dass "der "Kommerzialisierung des Sterbens" unter allen Umständen Einhalt geboten werden" müsse. Ob die Länderkammer am Ende das Strafrecht als Lösung des Problems wählen wird, wurde am Rande der Sitzung von mehreren Bundesrats-Vertretern bezweifelt. Als denkbar gelten auch Vereinsverbote.

Beihilfe zum Selbstmord nicht strafbar

Selbstmord ist nicht strafbar, die Beihilfe dazu auch nicht, eine aktive Sterbehilfe aber schon. Die zuständige Staatsanwaltschaft stufte das Handeln Kuschs nicht als aktive Sterbehilfe ein. Der Ex-Senator hat einen Sterbehilfeverein gegründet, der umstritten ist.

Kusch räumte im Sender N24 ein, der Würzburger Rentnerin die Medikamente vermittelt zu haben, mit denen sie am Wochenende in den Freitod ging. "Ich weiß nicht, ob sie ohne meine Vermittlung an den Richtigen geraten wäre." Einzelheiten wollte Kusch nicht nennen, "weil möglicherweise ein Strafverfahren noch läuft und ich mir vorbehalte, das einem Staatsanwalt zu erzählen". Eine Mitschuld am Freitod der Rentnerin wies Kusch von sich. Deren Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, habe sich für ihn nach insgesamt vier persönlichen Gesprächen als unabänderlich dargestellt. Bei ihr "war medizinisch Hopfen und Malz verloren", sagte der frühere CDU-Politiker. Seine Sterbehilfe sei ein Akt christlicher Nächstenliebe gewesen.

Druck auf alte Menschen könnte steigen

Der Entschließungsantrag wurde von 13 der 16 Bundesländer eingebracht, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen stimmten ebenfalls dafür. Berlin votierte mit Nein. Die Länder-Mehrheit befürchtet, dass durch die Sterbehilfe-Vereine mehr Menschen Suizid begehen könnten, die lediglich in einer momentanen Verzweiflungssituation seien. Außerdem könne ein Erwartungsdruck auf kranke und alte Menschen entstehen, ihrem Leben nun eher ein Ende zu bereiten.

"Darüber hinaus widerspricht es dem Menschenbild des Grundgesetzes, wenn mit dem Suizid und dem Leid von Menschen Geschäfte gemacht werden", heißt es in dem Antrag. Anschließend wird lediglich ausgeführt, noch in diesem Jahr "sollte" ein entsprechender Straftatbestand geschaffen werden. Der umstrittene Gesetzentwurf aus Hessen, Thüringen und dem Saarland wurde hingegen vorerst zurückgestellt.

Vorgehen mit Bundeskanzlerin abgesprochen

Dieses Vorgehen soll beim Treffen der Unions-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend abgesprochen worden sein. Über die Einzelheiten verständigten sich zudem der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger (CDU), da auch im Lager der SPD-geführten Länder keine Einigkeit herrschte.

Beck erklärte im Bundesrat, man habe eine "scheinbare Kontroverse" vermeiden wollen. Es gebe "keine grundsätzlichen Unterschiede" in den entscheidenden Fragen des Schutzes von Leben und der Würde von Menschen. Unterschiedliche Ansichten gebe es allenfalls bei den Instrumentarien. Der Bundesratsminister von Baden-Württemberg, Wolfgang Reinhart (CDU), nannte das jetzige Vorgehen einen guten Weg, um das Gesetz auf eine "gemeinsame, breitere Basis" zu stellen.

"Moralisch begründet, aber praxisfern"

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) rief die SPD allerdings auf, mit "Vehemenz" an dem Projekt weiterzuarbeiten, um neuerliche Verzögerungen zu vermeiden. "Wir müssen den Quacksalbern des Todes das Handwerk legen."

Vor allem das Vorhaben, schon die bloße Gründung eines Vereins zu bestrafen, der Menschen die Gelegenheit zur Selbsttötung bieten will, war umstritten. Juristen halten es für fraglich, ob die bloße Gründung eines Vereins schon mit Strafe belegt werden kann. Auch gibt es Zweifel, ob eine "maßgebende Rolle" bei einer solchen Vereinigung genau zu bestimmen ist und für eine Strafe schon ausreicht. Der Deutsche Richterbund hält die Forderungen nach einem Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe zwar für "moralisch begründet, aber leider praxisfern". In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der Vorsitzende Christoph Frank: "Das Ziel, ethisch verwerfliche Geschäfte mit dem Tod zu bekämpfen, ist richtig. Die Politik macht den Menschen aber etwas vor, wenn sie den Eindruck erweckt, das Problem der geschäftsmäßigen Sterbehilfe lasse sich mit dem Strafrecht lösen."

Eindeutige Positionen nötig

Die Parteien erlägen erneut der Versuchung, das Strafrecht für allzu einfache Antworten zu missbrauchen. Frank: "Wenn eine neue Vorschrift geschaffen würde, müsste sie das strafbare Verhalten so präzise und zweifelsfrei beschreiben, dass Polizei und Staatsanwälte auch etwas damit anfangen könnten." Er habe aber ganz erhebliche Zweifel, ob das gelingen könne. Der Oberstaatsanwalt warnte zudem vor weitreichenden Konsequenzen eines neuen Straftatbestandes: "Staatsanwälte müssten dann von Amts wegen jedem Hinweis auf eine geplante professionelle Sterbehilfe nachgehen, also in jedem Einzelfall in die Intimsphäre alter oder todkranker Menschen eindringen, um die Umstände ihres Sterbewillens aufzuklären."

Die Deutsche Hospiz-Stiftung verlangte eine rasche Entscheidung des Gesetzgebers. "Das heiße Eisen eines Verbots der kommerziellen und organisierten Suizidhilfe wollte heute im Bundesrat keiner anfassen - das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack", erklärte Eugen Brysch, der geschäftsführende Vorstand der Stiftung. Eindeutige Positionen seien aber nötig, um ein Zeichen an die Menschen zu senden, die ihren letzten Lebensjahren mit Angst entgegensehen.

Die große Mehrheit der Bundesbürger lehnt das bestehende grundsätzliche Verbot aktiver Sterbehilfe ab. Bei einer Emnid-Umfrage für den Fernsehsender N24 sprachen sich nur 13 Prozent dafür aus. Dagegen wünschten sich 55 Prozent, dass jeder Mensch frei entscheiden kann, ob er sein Leben beenden will und wessen Hilfe er dazu sucht. (nim/jg/dpa)

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