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Angela Merkel

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Exklusiv

Bundesregierung: Merkel lässt die Rüstungslobby mitfliegen

Bei Dutzenden Reisen seit 2009 haben sich Kanzlerin Angela Merkel und andere Kabinettsmitglieder von hochrangigen Vertretern der Rüstungsindustrie begleiten lassen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor.

Von Matthias Meisner

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Mitglieder ihres Kabinetts lassen sich bei Auslandsreisen regelmäßig von Rüstungslobbyisten begleiten. Wie aus einer dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, gehörten seit der Wahl 2009 bei zehn Reisen Vertreter von Unternehmen zur Merkel-Delegation, die Produkte im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes herstellen. Ziele waren beispielsweise die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Indien, Angola, Kenia und Nigeria. Mitreisende waren in der Regel Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung, sagte Außenstaatssekretärin Emily Haber. Merkel handelt nicht anders als ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder (SPD).

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nahm seit 2009 bei Reisen in 16 Länder Rüstungslobbyisten mit, etwa in den Jemen, nach Saudi-Arabien und nach Indien. Bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gehörten sie auf den Touren nach Brasilien, in die Türkei und nach Indien zur Delegation, bei dessen Nachfolger Philipp Rösler (FDP) im Oktober 2011 nach Libyen. Aufgelistet wurden von der Regierung nur Firmenvertreter, die an der jeweiligen Reise „ein erkennbares sicherheitspolitisches Interesse“ hatten. Die Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Thomas de Maizière (CDU) hätten keine Auslandsreisen mit Vertretern von Rüstungsunternehmen unternommen, hieß es.

Bei vielen Reisen wurden der Wirtschaftsdelegation Treffen und Gespräche mit hochrangigen Politikern der Gastländer, aber auch mit Wirtschaftsvertretern ermöglicht. Laut Regierung gab es für die Wirtschaftsvertreter meist ein Sonderprogramm, das „weitgehend parallel“ zu den Gesprächen der Kanzlerin beziehungsweise der Bundesminister stattgefunden habe. Sondertermine für einzelne Delegationsmitglieder aber seien „grundsätzlich weder vereinbart noch organisiert“ worden, versicherte Haber.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken zeigte sich „total überrascht“ darüber, „wie viele da mitfahren“. Nach seiner Auffassung kann der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern zwischenstaatliche Konflikte auslösen oder verschärfen, sich verheerend auf die Menschenrechtslage im Empfängerland auswirken. Auffallend nannte es van Aken, dass die im Fregattenbau tätige Thyssen Krupp Marine Systems AG besonders häufig zu den Delegationen gehörte – bei Reisen Merkels in fünf Länder, bei Westerwelle in neun Länder sowie bei Brüderle in zwei Länder. Der Linken-Politiker wies auch darauf hin, dass die Firma Ferrostaal AG, die im Ausland Waffenfabriken gebaut hat, bei Westerwelles Reisen nach Argentinien und Uruguay zur Delegation gehörte. Bemerkenswert nannte es van Aken auch, dass EADS/Cassidian bei Westerwelles Reisen nach Indien und Brasilien sowie Röslers Reise nach Libyen dabei war – jene Firma also, die bei einem „schmutzigen Deal“ im Zusammenhang mit dem Bau einer Grenzschutzsicherungsanlage in Saudi-Arabien eine zentrale Rolle gespielt habe.

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