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Deniz Yücel ist seit fast einem Jahr in der Türkei in Haft. Unterstützer fordern seine Freilassung.

© Andreas Arnold/dpa

Inhaftierung von Deniz Yücel in der Türkei: Bundesregierung sieht Verstoß gegen Menschenrechtskonvention

Das Justizministerium hat eine Stellungnahme zum Fall des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel an den Gerichtshof für Menschenrechte geschickt.

Die Bundesregierung sieht in der Inhaftierung des deutschen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Untersuchungshaft stehe „aus unserer Sicht nicht im Einklang mit den in Artikel 5 der Konvention genannten Rechten und Freiheiten“, erklärte das Bundesjustizministerium am Donnerstag. Das gelte insbesondere unter Berücksichtigung der ebenfalls betroffenen Presse- und Meinungsfreiheit. Artikel 5 der Menschenrechtskonvention gewährleistet das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Am Mittwoch hatte die Bundesregierung eine schriftliche Stellungnahme zum Fall Yücel an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geschickt. Das Straßburger Gericht muss über eine Beschwerde Yücels gegen die Türkei entscheiden, Deutschland ist dem Verfahren beigetreten.

Der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel ist bereits seit fast einem Jahr in der Türkei in Haft. Die türkische Justiz wirft ihm Terrorpropaganda vor, hat aber bis heute keine Anklage gegen ihn erhoben. Die Bundesregierung betrachtet dagegen seine journalistische Arbeit als eigentlichen Grund für die Inhaftierung: „Seine Haft wurde ausschließlich wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Zeitungsartikeln angeordnet“, heißt es im Justizministerium. Angesichts des Inhalts dieser Artikel bestehe Anlass zur Prüfung, ob in diesem Fall eine Strafverfolgung an sich mit der Konvention vereinbar sei. „Jede Unterdrückung von kritischer Berichterstattung ist mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar“, erklärte der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). „Wir werden nichts unversucht lassen, um uns für ein rechtsstaatliches Verfahren für Deniz Yücel einzusetzen.“ Deshalb habe die Bundesregierung auch im Verfahren vor dem EGMR eine Stellungnahme abgegeben und darin ihre Position „sehr deutlich gemacht“.

"Übermäßiger Druck auf die Presse"

In der Stellungnahme spricht das Justizministerium nicht nur den Fall Yücel an, sondern auch die Lage der Pressefreiheit in der Türkei nach dem Putschversuch. Mehrere internationale Institutionen hätten seitdem die Befürchtung geäußert, dass die auf den Putschversuch folgenden staatlichen Maßnahmen „zu einem übermäßigen Druck auf die Presse und auf einzelne Journalisten“ geführt hätten. „Wir teilen diese Bedenken.“

Auch der Bundestag befasste sich am Donnerstag mit der Türkei. Die Abgeordneten debattierten auf Antrag der Linken über die türkische Offensive in den Kurdengebieten im Norden Syriens. Die Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte in diesem Zusammenhang das „Schweigen der Bundesregierung“ und forderte einen Stopp der deutschen Rüstungsgeschäfte mit der Türkei. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter sagte, das türkische Vorgehen sei „als völkerrechtswidrig zu bewerten“. Eine so deutliche Bewertung hat die Bundesregierung bisher vermieden. Zugleich wies Kiesewetter darauf hin, dass die Regierung vorerst Rüstungsexporte und darunter auch die umstrittene Modernisierung von türkischen Panzern gestoppt habe.

Die Türkei will ihre Panzer modernisieren, der Auftrag sollte an den deutschen Konzern Rheinmetall gehen. Doch nach dem Beginn der türkischen Offensive, bei der offenbar Panzer aus Deutschland zum Einsatz kamen, erklärte die geschäftsführende Bundesregierung, sie werde keine Entscheidungen über Rüstungsexporte in die Türkei mehr treffen. Die „ Beratung von kritischen Vorhaben“ soll der künftigen Regierung überlassen werden.

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