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Wenig Auskünfte: Bundesregierung verweigert konkrete Antworten zur Lage der Türken

Eine ungewöhnlich lückenhafte Antwort hat die Linke im Bundestag auf ihre Anfrage zur Lage türkischer Staatsbürger in Deutschland erhalten. Die Linksfraktion will sich wegen der Einsilbigkeit des Innenressorts nun bei Bundestagspräsident Lammert beschweren.

Berlin - Die Kleine Anfrage der Linken-Fraktion zielte auf Unterschiede zwischen nationalem Recht und den Rechten, die sich aus dem Assoziationsabkommen zwischen Europa und der Türkei von 1963 ergeben – im wesentlichen Zugang zum Arbeitsmarkt und damit verbundene Aufenthaltsrechte. Ein Beschluss von 1980 verbietet den Mitgliedstaaten, neue Beschränkungen für türkische Arbeitnehmer und ihre Familien einzuführen (Standstill-Klausel).

Solche Unterschiede sind, wenn sie die Rechte türkischer Staatsbürger mindern, ein Verstoß gegen europäisches Recht – und tatsächlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich in etwa vierzig Verfahren mit entsprechenden Klagen von Türken beschäftigen müssen. Fast alle wurden zugunsten der Kläger entschieden, gegen die Auslegung des Assoziationsabkommens durch Behörden und Regierungen.

Einige Prozesse von grundsätzlicher Bedeutung sind in den letzten Jahren entschieden worden. Die Hinweise der Bundesregierung für Länder und Behörden, wie das Assoziationsrecht anzuwenden sei, sind aber neun Jahre alt. Sie würden, heißt es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf die Linken-Anfrage, „derzeit überarbeitet“. Wann dies geschafft sei, sei „noch nicht absehbar“, heißt es in der Antwort weiter, die zugleich zu erkennen gibt, dass dies noch lange dauern könne: Im Fall des sogenannten Toprak-Urteils von 2010 – hier ging es um einen niederländischen Fall – bleibe „die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten“; man werde sie „ggf. bei der Überarbeitung der Anwendungshinweise berücksichtigen“.

Andere der 25 Fragen beantwortet das Innenministerium unter Hinweis auf frühere Antworten zu anderen parlamentarischen Anfragen oder erledigt fünf Fragen en bloc. Auf die Frage nach den Konsequenzen eines EuGH-Urteils, das die grundsätzliche gleiche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit von Türken und europäischen Staatsbürgern verlangt, heißt es, man sehe „keinen Anlass, das genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Bezug auf abstrakte Rechtsfragen zu interpretieren“. Gefragt war nach den Folgen des Urteils für Ehegattennachzug und Integrationskurse. Hier unterliegen Türken Beschränkungen, die für EU-Bürger nicht gelten.

Die Linksfraktion will sich wegen der Einsilbigkeit des Innenressorts demnächst bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beschweren. Schon Mitte Mai hatte ihre Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann in einem Brief an Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Antworten auf zwei frühere Anfragen gerügt und darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz die Regierung verpflichte, das Parlament auf Anfrage mit Informationen zu versorgen.

In der Sache selbst hält die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen, die Antworten für „keine gute Nachricht“ im Jubiläumsjahr des deutsch-türkischen Anwerbevertrags von 1961. Die Rechte türkischer Staatsbürger seien der Regierung offenbar egal.

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