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Die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu wurde Ende April in der Türkei festgenommen.

© "Freiheit für Mesale Tolu"/Facebook

Update

Deutsche Übersetzerin Tolu inhaftiert: Bundesregierung wirft Türkei Bruch des Völkerrechts vor

Neue Belastung für die Beziehungen zur Türkei: Die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu sitzt in Istanbul im Gefängnis. Jetzt hat sich die Bundesregierung eingeschaltet.

Nach dem Fall Yücel belastet die Inhaftierung einer weiteren Deutschen in der Türkei das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara. "Dieser Fall macht uns Sorgen", sagte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Freitag in Berlin. Das Auswärtige Amt bestätigte die Verhaftung und kritisierte zugleich, dass die türkischen Behörden Deutschland entgegen der Gepflogenheiten nicht von sich aus über den Fall informiert hätten. Seibert forderte die Türkei auf, eine konsularische Betreuung zu ermöglichen - "und zwar bald".

"Nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen hätten die türkischen Behörden die deutsche Seite unverzüglich über den Fall informieren müssen", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. Die 33-jährige Mesale Tolu sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Da sie anders als der Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel, nur den deutschen, nicht aber einen türkischen Pass besitzt, muss die Türkei eine konsularische Betreuung durch Deutschland erlauben. Der deutsche Konsul erhielt bisher aber keine Besuchsgenehmigung.

Die Frau sei am 30. April in Polizeigewahrsam und am vergangenen Samstag in Untersuchungshaft genommen worden, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer. Über beides sei die Bundesregierung nicht von den türkischen Behörden informiert worden. Die türkischen Behörden hätten damit das Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen verletzt.

Die ARD hatte am Donnerstag berichtete, eine Anti-Terror-Einheit sei am 30. April in die Wohnung der 33-Jährigen eingedrungen. Seit dem 6. Mai sitze Tolu im Istanbuler Frauengefängnis. Ein Richter erließ dem Bericht zufolge Haftbefehl wegen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.

Mesale Tolu wurde in Ulm geboren

Tolu arbeitete für die linksgerichtete Agentur Etha als Übersetzerin, wie das Unternehmen mitteilte. Laut tagesschau.de wurde Tolu in Ulm geboren. 2007 hatte sie den Angaben zufolge die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und die türkische abgegeben. Auf die Frage, was das Auswärtige Amt über den Verbleib des zweijährigen Sohnes der Übersetzerin wisse, der während der Razzia wohl in der Wohnung zugegen gewesen sei, antwortete Schäfer, er sei sehr sicher, dass das Kind bei der Familie sei und gut betreut werde.

Die "taz" zitiert dazu Derya Okutan, eine Kollegin von Tolu, die ebenfalls bei Etha arbeitet: "Sie haben versucht, die Türe mit Gewalt einzutreten, und sie festgenommen. Sie haben ihr nicht mal erlaubt, einen Anwalt anzurufen oder ihre Familie zu bitten, auf ihren Sohn aufzupassen. Sie wurde gezwungen, das Kind bei den Nachbarn abzugeben, die sie nicht mal kennt. Ich habe die Wohnung erst später betreten, sie lag in Trümmern. Sie haben alles verwüstet." Dem Bericht zufolge ist Tolu in der Türkei offiziell als Pressevertreterin akkreditiert.

Das türkische Nachrichtenportal Diken berichtete, Tolu sei im Zuge einer Razzia gegen 16 Personen festgenommen worden, die für die Agentur und linke politische Organisationen arbeiten - offenbar vor den Protesten zum 1. Mai.

Seit dem 6. Mai sitzt Tolu den Bericht zufolge im Istanbuler Frauengefängnis. Ein Richter erließ demnach Haftbefehl wegen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Laut tagesschau.de wurde Tolu in Ulm geboren. 2007 hatte sie den Angaben zufolge die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und die türkische daraufhin abgegeben.

DJV ruft Bundesregierung zum Handeln auf

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert die sofortige Freilassung Tolus. "Das ist ein neuer, besonders dreister Willkürakt der türkischen Autokratie gegen die freie Presse", teilte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall mit. "Wäre die Türkei ein Rechtsstaat, hätte Mesale Tolu allenfalls ausgewiesen werden können. Ihre Verhaftung ist ein weiterer trauriger Beweis dafür, dass das Erdogan-Regime jedes Maß verloren hat." Der DJV erwarte, dass sich das Auswärtige Amt mit Nachdruck für die Freilassung der deutschen Staatsbürgerin Tolu einsetze.

Zahlreiche Journalisten sitzen in der Türkei in Haft, darunter der deutsch-türkische „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel. Ihm werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Er war im Februar festgenommen worden.

Der türkische EU-Minister Omer Celik hatte am Donnerstag gesagt, die Türkei sei ein sicheres Land für ausländische Journalisten, die nicht an terroristischen Aktivitäten beteiligt seien. Am Freitag nahm die türkische Polizei dann den Online-Chef der Tageszeitung "Cumhuriyet" Oguz Güven fest. Die Gründe sind bislang unklar. (mit dpa, epd)

"Freiheit für alle inhaftierten Journalisten": Demonstration in Berlin
"Freiheit für alle inhaftierten Journalisten": Demonstration in Berlin

© dpa/Maurizio Gambarini

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