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Bundestag: Hartz-IV-Korrekturen beschlossen

Empfänger von Arbeitslosengeld II müssen künftig mit einer Streichung aller Leistungen rechnen, wenn sie Job- oder Schulungsangebote drei Mal innerhalb eines Jahres ablehnen. Die verschärften Sanktionen beschloss der Bundestag.

Berlin - In namentlicher Abstimmung sprachen sich am Donnerstag 393 Abgeordnete von Union und SPD für die Neuregelung aus. Es gab 150 Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen. Die Linkspartei sprach von einer «Nacht-und-Nebel-Aktion».

Die Überarbeitung der Anfang 2005 eingeführten «Grundsicherung für Arbeitssuchende» soll nach dem Willen der Regierungsparteien die aus dem Ruder gelaufenen Kosten der Hartz-IV-Reform wieder drücken, und zwar von 2007 an um jährlich 1,5 Milliarden Euro. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) bezifferte die Einsparungen unterm Strich - also unter Einbeziehung der bereits im März beschlossenen Hartz-IV- Korrektur - auf 3,8 bis 4 Milliarden Euro. Die nun verabschiedete Novelle soll Anfang August in Kraft treten, die Wirksamkeit im Herbst überprüft werden.

Merkel: Weiterer Handlungsbedarf

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutete weiteren Handlungsbedarf bei Hartz IV an. Die von der Koalition beschlossenen Änderungen bei den Arbeitsmarktgesetzen reichten nicht aus, sagte sie in Berlin. Es müsse wieder der Grundsatz gelten, dass derjenige, der arbeite, mehr Einkommen habe als ein Arbeitsloser.

In der erregt geführten Parlamentsdebatte handelte sich der Abgeordnete der Linksfraktion, Klaus Ernst (WASG), einen Ordnungsruf von Bundestagsvizepräsidentin Katrin-Göring-Eckardt ein. Er hatte mit einer Plastik-Fußfessel gegen die den Langzeitarbeitslosen nun auferlegte jederzeitige Erreichbarkeit am Wohnort protestiert.

Müntefering: Ausgaben sind «unter Kontrolle»

Müntefering sagte in einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde vor Verabschiedung der Hartz-IV-Korrektur, es gehe darum, dass die Gelder «möglichst effizient eingesetzt werden, damit möglichst vielen Menschen geholfen werden kann». Der Minister betonte, es gehe nicht um Leistungskürzungen - es bleibe beim Regelsatz von 345 Euro für Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Weder Wohngeld noch private Altersvorsorge noch die Autos der Leistungsbezieher würden angetastet. Müntefering wies Vorwürfe zurück, bei Hartz IV habe es eine Kostenexplosion gegeben. Die Ausgaben seien «unter Kontrolle».

Lafontaine: «Sozialpolitischer Kahlschlag»

Der sozialpolitische Sprecher der FDP, Heinrich Kolb, kritisierte mangelnde Planungssicherheit für die Kommunen und das Weiterbestehen von «Verschiebebahnhöfen» zu Lasten der Sozialversicherungen. Der Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, kritisierte die Reformen als bislang «größten sozialpolitischen Kahlschlag» mit einer «brutalen Enteignung» für Ältere. Er kritisierte, dass Geringverdiener gegen ALG-II-Empfänger ausgespielt würden. Für die Grünen bedauerte Fraktionschef Fritz Kuhn, dass nur über den Missbrauch von Leistungen geredet werde, nicht aber über das Defizit bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen.

Redner von SPD und Union stellten sich demonstrativ hinter Müntefering. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, unterstrich, es gehe bei der Korrektur nicht nur ums Sparen, sondern um bessere und schnellere Leistungen für die Betroffenen. «Hartz IV ist nicht gescheitert.» Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) lobte im Fernsehsender N24 die Korrektur als «sehr vernünftig». Sozialabbau finde nach seiner Einschätzung nicht statt. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Gerald Weiß (CDU), sagte im Sender n-tv, die Sanktionen zielten nicht auf die Ehrlichen, sondern auf die, «die sich hart arbeitsunwillig den Angeboten entziehen». (tso/dpa)

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