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Die Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland dürften ihren Arbeitsplatz für die nächsten vier Jahre wohl sicher haben: im Bundestag.

© dpa

Bundestagswahl 2017: Kann die AfD noch unter fünf Prozent rutschen?

Weil die AfD Schwierigkeiten hat, hoffen ihre Gegner, dass sie den Sprung in den Bundestag verpasst. Doch führende Meinungsforscher halten das für unrealistisch.

Die Hoffnung, sie stirbt bekanntlich zuletzt. Am Wochenende war es CSU-Chef Horst Seehofer, der erneut das Ziel ausgab, die AfD aus dem Bundestag herauszuhalten. „Durch kluge Politik“, sagte er, ließe sich vielleicht doch noch erreichen, „dass wir die AfD unter die Fünf-Prozent-Hürde drücken.“ Auch in der SPD hört man diese Gedankenspiele.

Doch wie realistisch sind sie? Fakt ist: Die AfD ist zwar von Umfragewerten um die 15 Prozent, die sie noch Anfang des Jahres erreichte, weit entfernt. Dennoch stehen die Rechtspopulisten seit Wochen konstant bei sieben bis neun Prozent. Dass einige trotzdem hoffen, die AfD könnte den Einzug in den Bundestag verpassen, hat mehrere Gründe.

Nur das Thema Flüchtlinge mobilisiert AfD-Wähler

Einer davon: die Landeslisten. Noch ist unklar, ob sie in allen Bundesländern als gültig anerkannt werden. Im Saarland hatte die AfD beispielsweise nach einem Gerichtsurteil die Liste neu wählen müssen. In Niedersachsen gab es ebenfalls Zweifel, ob die AfD zur Wahl zugelassen wird. Dazu kommen der Machtkampf innerhalb der Partei, die weitgehend entmachtete Chefin Frauke Petry und die rechten Provokationen einiger Parteimitglieder. In einem geheimen WhatsApp-Chat aus Sachsen-Anhalt, der kürzlich öffentlich wurde, ließ Landeschef André Poggenburg NPD-Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ fallen.

Schwierig für die AfD dürfte auch das politische Klima sein. Eine Bertelsmann-Studie hat herausgefunden, dass zwar 29 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland populistisch eingestellt sind. Eine Mehrheit lehnt populistische Positionen aber ab oder stimmt ihnen nur teilweise zu. Auffallend sei zudem, dass populistisch eingestellte Wähler in Deutschland eher moderate Ansichten vertreten. „Von einer Stunde der Populisten ist das politische Klima vor der Bundestagswahl meilenweit entfernt“, sagt Robert Vehrkamp, einer der Autoren.

Selbst die AfD-Wähler lassen sich demnach mit typisch populistischen Themen wie Eliten-Kritik und Anti-EU-Parolen nicht übermäßig begeistern. Das einzige Thema, das AfD-Wähler mobilisiere, sei die Zuwanderung. „Rechtspopulistisch gegen Flüchtlinge, das ist die Formel der AfD-Wählermobilisierung für das Wahljahr 2017“, schreiben die Autoren.

Das einzig Gute an der AFD ist, dass sie der Gesellschaft vor Augen führt, wie hoch der Prozentsatz in der Bevölkerung an Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und Feindschaft gegen unsere pluralistische, weltoffene Gemeinschaft wirklich ist.

schreibt NutzerIn Pat7

Protestwahl eher bei Landtagswahlen

Hier liegt jedoch ein weiteres Problem der Partei: „Weil die Flüchtlingskrise in Deutschland kaum zu spüren ist, will die AfD gegen die Ehe für alle mobil machen und versuchte sich nach den G-20- Krawallen noch stärker als Law-and-Order-Partei zu profilieren“, sagt der Populismusforscher Marcel Lewandowsky. „Es ist fraglich, ob das zieht.“ Zudem wird die AfD möglicherweise nicht so stark wie bei den Landtagswahlen Nicht- und Protestwähler mobilisieren können. Denn bei Bundestagswahlen ist die Wahlbeteiligung meist höher als bei Landtagswahlen, die Mobilisierungsreserven sind also kleiner. „Außerdem gibt es den sogenannten Zwischenwahlkeffekt“, erklärt Lewandowsky. „Wähler sehen die Landtagswahlen als weniger wichtig an und wählen populistische Parteien, um ihren Protest gegen die Bundespolitik auszudrücken. Bei der Bundestagswahl kehren sie dann zu ihrer eigentlichen Präferenz zurück.“

Zerstritten, unorganisiert, das Wahlkampfthema abhanden gekommen: Ist der Fall unter die Fünf-Prozent-Marke also möglich? Führende Wahl- und Meinungsforscher glauben das nicht. Matthias Jung, einer der Vorstände der Forschungsgruppe Wahlen, sagt: „Die Anhänger der Partei befinden sich in einer gefühlten Außenseiterrolle, sie sind gut motiviert, zur Wahl zu gehen.“ Unter normalen Umständen müsse das „locker ausreichen“, um in den Bundestag einzuziehen.

Der Einzug scheint sicher

Dazu kommt: „Alles, was schaden kann, hat die AfD schon ordentlich durchexerziert.“ Die Wähler, die noch übrig sind, schrecken weder innerparteiliche Streitereien ab, noch Provokationen am rechten Rand. „Ein Großteil dieser Menschen nutzt die AfD ohnehin nur als Protestplattform und schreibt der Partei kaum politische Lösungskompetenz zu.“

Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, hat sich außerdem angeschaut, wie stark in der Vergangenheit die Bundestagswahlergebnisse von den Umfragewerten im Juni desselben Jahres abwichen. Bei kleineren Parteien waren das in der Regel weniger als drei Prozent: „Wenn die AfD jetzt bei um sieben bis acht Prozent liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde schafft, hoch“, sagt er.

Selbst wenn die AfD in Niedersachsen nicht zur Wahl zugelassen wird, dürfte sie das verkraften. „Das würde die AfD nicht mal ein Prozent kosten“, sagt Güllner. Alles sieht also danach aus, als ob sich Seehofers Hoffnungen nicht erfüllen. Der Einzug der Populisten in den Bundestag, er scheint so gut wie sicher.

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