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Keine Wut kann rechtfertigen, AfD zu wählen.

© imago/Christian Ditsch

Bundestagswahl 2017: Wut rechtfertigt keine Stimme für die AfD

Wer AfD wählt, um anderen Parteien eins auszuwischen, wählt eine Partei, die dieses Land in seinen Grundfesten erschüttern würde. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Wer Leistungssport treibt, will Wettkämpfe gewinnen. Wer weiß, dass er mit Besseren konkurriert, hofft dennoch auf Platz eins, selbst wenn alle Prognosen auf der Basis früherer Leistungen das als ziemlich illusorisch erscheinen lassen.

Bei Wahlen ist das anders. Wenn die Plätze eins und zwei bereits relativ sicher vergeben sind, wird der Wettbewerb um Platz drei eminent wichtig. Platz drei berechtigt, wenn eins und zwei miteinander koalieren, in jeder Bundestagsdebatte als erster Sprecher der Opposition aufzutreten.

Dritter, und nicht Vierter, Fünfter oder gar Sechster in der Wählergunst zu sein, hebt das Selbstwertgefühl. Es verbessert die Verhandlungsposition, wenn es zu einem Regierungsbündnis aus drei Parteien kommen sollte. Die Nummer eins spricht zuerst mit Nummer drei und dann erst mit der viertstärksten Kraft im Parlament. Die theoretischen Überlegungen erklären, warum in der Praxis FDP, AfD, Linke und Grüne so verbissen darum ringen, sich am Abend des 24. September als drittstärkste Kraft präsentieren zu können.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat den Kampf um Platz drei am Sonntag als einen Wettbewerb ausschließlich zwischen seiner Partei und der AfD dargestellt. Grüne und Linke seien bereits abgeschlagen. Und er warb dafür, in dieser Situation für die Liberalen als bewährte demokratische Kraft zu votieren. Wer die rechtsstaatliche Ordnung in Deutschland bewahren will, kann ihm da nur zustimmen, obwohl durchaus fraglich ist, ob es am Sonntag wirklich nur einen Zweikampf um den begehrten dritten Platz gibt.

Die Prognosen der Forschungsgruppe Wahlen sehen die Grünen bei acht, die Linke bei neun und FDP und AfD bei zehn Prozent. Da ist Luft nach oben und nach unten. Auch weil nach derselben Untersuchung 39 Prozent der Wählerinnen und Wähler immer noch nicht wissen, für wen sie sich entscheiden sollen, ist bis Sonntagabend noch viel Veränderung möglich.

Es gibt keine Rechtfertigung

Dabei ist klar, dass kein Beobachter der politischen Szene im In- und im Ausland Deutschland auf dem Weg in den Sozialismus sehen wird, wenn die Linke auf Platz drei kommt. Die Grünen in dieser Position machen die Bundesrepublik nicht automatisch ökologischer, die FDP an dieser Stelle sie nicht von selbst liberaler, es sei denn, beide Parteien würden Teil einer Jamaika-Koalition. Wenn die AfD aber dritte Kraft wird, kann das durchaus als Alarmsignal gedeutet werden. Zwar wäre sie, mit vielleicht elf Prozent der Stimmen, im Vergleich zu den rechtsradikalen Bewegungen in Frankreich oder in den Niederlanden, eine eher marginale Größe. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte könnte selbst der relative Wahlerfolg einer fremdenfeindlichen, rassistischen und autoritären Partei in Europa dennoch als bestürzend empfunden werden.

Für die Wahlentscheidung der Deutschen sollte das geringere Bedeutung haben, denn im Umkehrschluss müsste es ja bedeuten, das man eine Partei wie die AfD eigentlich schon wählen dürfte, das aber leider wegen der Auslandsreaktionen besser unterlässt. Das kann kein Maßstab sein. Ob eine Partei wählbar ist oder nicht, muss unser eigener Wertekanon entscheiden. Respektiert die Partei die Grundwerte der Verfassung? Behandelt sie alle Menschen, ungeachtet ihrer Rasse, ihres Glaubens, ihres Geschlechtes und ihrer politischen Überzeugungen, gleich? Ist für sie die Würde des Menschen unantastbar?

Nach allem, was führende Repräsentanten dieser Partei, was viele Wahlkreiskandidaten sagen, mailen, twittern oder sonst irgendwo äußern, ist das nicht der Fall. Wer AfD wählt, um anderen Parteien eins auszuwischen, wählt eine Partei, die dieses Land in seinen Grundfesten erschüttern würde, bekäme sie die Macht dazu. Es gibt keinen Zorn auf Angela Merkel, keine Wut über die SPD, keine Resignation über Blindheit der Politik gegenüber vielen Problemen, die eine solche Wahlentscheidung rechtfertigen würden.

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