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Bundestagswahl: Was die Stimme wert ist

Trotz der Wahlrechtsreform ist eines geblieben: Es gibt die Erststimme für den Wahlkreis und die Zweitstimme für die Parteiliste. Entscheidend sind die Zweitstimmen - mit ihnen wird bestimmt, wie das Kräfteverhältnis der Parteien im Bundestag ist. Überhangmandate gibt es weiterhin, aber sie werden jetzt ausgeglichen.

Ob man nun treuer Parteiwähler ist, taktischer Koalitionswähler, bis in die Wahlkabine hinein unentschiedener Wechselwähler (vielleicht durch schiere Überinformation) oder aber anarchistischer Spaßwähler – der Stimmzettel ist für alle gleich. Und er hat sich durch das neue Wahlrecht, das im Frühjahr nach jahrelangen Querelen verabschiedet wurde, nicht verändert. Es gibt immer noch die Erststimme für den Kandidaten im eigenen Wahlkreis und die Zweitstimme für die Landesliste der favorisierten Partei. Weiterhin gilt: Wer die Erststimmenmehrheit hat, der oder die vertritt den Wahlkreis in den nächsten vier Jahren im Bundestag. 299 Abgeordnete werden direkt gewählt sein. Entscheidend für die Zusammensetzung des Parlaments nach Parteien aber ist die Zweitstimme, und nur die. Aus den Zweitstimmen errechnet der Bundeswahlleiter in der Nacht zum Montag, wie viele Sitze welche Partei im nächsten Bundestag haben wird. Die Erststimme spielt dabei keine Rolle.
Geblieben ist auch die Möglichkeit, die beiden Stimmen zu splitten. Also etwa mit der Erststimme einen Kandidaten zu wählen, den man persönlich schätzt, mit der Zweitstimme dann aber die Partei, die man bevorzugt – das fällt ja nicht immer zusammen. Auch taktisches Wählen ist dadurch möglich, für Koalitionswähler nicht ganz unbedeutend: Anhänger der Union, die eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb wollen, machen das Kreuzchen rechts auf dem Wahlzettel bei der FDP, damit die sicher im Bundestag ist. Die Faustregel ist, dass mehr Zweitstimmen für die FDP dann weniger Zweitstimmen für die Union bedeuten, was sich auch in Sitze übersetzt, doch für Schwarz-Gelb insgesamt gleicht sich das aus (wenn die FDP drin ist). „Was der eine verliert, gewinnt der andere“, sagt der Wahlexperte Joachim Behnke. Durch das mit der Wahlrechtsreform veränderte Sitzzuteilungsverfahren kann es laut Behnke zwar passieren, dass dieses Splitting am Ende zu einem sehr geringen Minus bei den Unions-Mandaten führen kann. Aber das ist vorab nicht kalkulierbar.
Was nicht mehr geht (was aber auch in früheren Wahlen eher ein theoretischer Aspekt war), ist das gezielte Schaffen eines Vorteils für eine Koalitionsvariante durch Stimmensplitting. Dadurch konnte bis 2009 die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass eine Partei Überhangmandate bekommt – im schwarz-gelben Beispiel quasi durch Leihstimmen von FDP- Anhängern für Wahlkreiskandidaten der Union und durch Leihstimmen von Unions-Anhängern für die Landesliste der FDP. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Land mehr Direktmandate holt, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil an Sitzen zustünde. Sie verzerrten bis 2009 die Proportionalität der Sitzverteilung im Bundestag. Wahlentscheidend waren sie zwar nie, wohl aber stärkten sie knappe Mehrheiten. Künftig ist das ausgeschlossen. Es gibt jetzt Ausgleichsmandate, welche die Überhangmandate - die weiterhin entstehen können - neutralisieren. Das Zweitstimmenverhältnis der Parteien, die über fünf Prozent liegen, wird dadurch in der Sitzverteilung so exakt wie möglich abgebildet. Allerdings wird der Bundestag damit größer als früher.

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