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Bundesversammlung: Die Zahlen sprechen klar gegen Gauck

Wenn die Gesetze der Mathematik und der Politik bei der nächsten Bundespräsidentenwahl noch gelten, hat Joachim Gauck keine Chance auf das höchste Staatsamt.

Von Robert Birnbaum

Berlin - In der Bundesversammlung am 30. Juni sitzen die 622 Abgeordneten des Bundestages und eine gleich hohe Zahl von Ländervertretern, zusammen 1244 Wahlmänner und -frauen. Im ersten Wahlgang muss ein Kandidat die absolute Mehrheit auf sich vereinen, also 623 Stimmen. CDU/CSU und FDP stellen mindestens 645 Vertreter – die genaue Zahl kann sich wegen einiger offener Losentscheide noch ein wenig verändern. Höchstens 23 Delegierte von Union und FDP dürften also Christian Wulff ihre Stimme verweigern, ab 24 Abweichlern ist er nicht gewählt.

Denkbar ist das. Das Ende des Kandidaten Wulff wäre es nicht. Denn sein Gegenkandidat Gauck ist von einer absoluten Mehrheit weit entfernt. Weder kann er darauf zählen, dass Koalitionsabweichler ihn wählen und sich nicht bloß enthalten. Noch weniger ist geschlossene Unterstützung durch alle anderen in Sicht. Es müssten also im ersten Wahlgang schon sehr, sehr viele Unions- und FDP-Repräsentanten für den Ex-DDR-Bürgerrechtler votieren.

Schlichte Tatsache bleibt nämlich: Rot-Grün bringt es gerade mal auf 460 Stimmen, dazu kommen bis zu 125 Linke, zehn Freie Wähler aus Bayern, drei NPDler und ein Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbands, der Dänen-Minderheit in Schleswig-Holstein. Selbst in dem absolut unwahrscheinlichen Fall, dass sie alle Gauck unterstützen, sind das höchstens 599 Stimmen.

Es würde mithin der zweite Wahlgang folgen, in dem wieder die absolute Mehrheit gefordert ist. Spätestens hier wird die Mathematik politisch. Ihren Kandidaten Wulff nicht im ersten Anlauf durchzubringen, wäre für Merkel, Westerwelle und Seehofer ein übler Tiefschlag. Im zweiten Wahlgang zu scheitern, käme einem offenen Misstrauensvotum gleich – sie könnten eigentlich nur noch abdanken. Das wissen auch solche Parteivertreter, die Gauck für den besseren Präsidenten halten. Ihre Führung wird ihnen das in den internen Beratungen zwischen den Wahlgängen klar vor Augen führen.

Sollte ein dritter Wahlgang nötig werden, reicht dort die einfache Mehrheit. Doch selbst wenn alle Linkspolitiker die Vorbehalte gegen den Ex-Stasi-Aktenverwalter aufgäben, selbst wenn die gesamte Opposition ihn wählte, brauchte er wieder mindestens 23 wild entschlossene schwarz-gelbe Abweichler – oder eine halbe Hundertschaft zur Revolution Entschlossene von CDU, CSU und FDP, die sich enthalten.

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