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Bundeswehr: Dem Volk geloben

Erstmals legen Rekruten der Bundeswehr ihr Gelöbnis vor dem Reichstag ab. Welche Bedeutung und Tradition hat das Gelöbnis?

"Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." Tausende von Bundeswehr-Rekruten haben die im Soldatengesetz festgeschriebene Gelöbnisformel in den vergangenen Jahren gesprochen. In Großstädten wie Köln und Berlin, aber auch in kleinen Orten wie der niedersächsischen Gemeinde Bordenau bei Hannover. In Deutschland findet das Gelöbnis während oder am Ende der Allgemeinen Grundausbildung statt.

Bevor die Rekruten zum Gelöbnis antreten, werden sie von ihrem jeweiligen Kompaniechef auf die Zeremonie vorbereitet. Dazu gehören intensive Gespräche über den Wortlaut und die Bedeutung der Gelöbnisformel – und auch darüber, wie Gelöbnistexte von Gewaltregimen wie dem der Nationalsozialisten missbraucht worden sind. So mussten unter Adolf Hitler die Mitglieder der Schutzstaffel (SS) dem Führer und seinen Untergebenen unbedingten Gehorsam schwören.

"Es geht darum, ein besonderes Treuebekenntnis zum Staat, zu seinen Grundwerten und Normen zu dokumentieren", sagt Oberst Manfred Wittig. "Nicht im stillen Kämmerlein und vor irgendjemandem, sondern vor der Öffentlichkeit, dem Souverän." Wittig, der derzeit an der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation im brandenburgischen Strausberg bei Berlin tätig ist, war viele Jahre Kompaniechef eines Luftwaffenausbildungsregiments und hat zahlreiche Gelöbnisse organisiert und durchgeführt. "In der Vorbereitung darauf sprechen wir darüber, was das Bekenntnis in letzter Konsequenz für den Einzelnen bedeuten kann", sagt Wittig. "Sein Land zu verteidigen, das heißt unter Umständen auch zu kämpfen und sein Leben hinzugeben für ein höherwertiges Gut."

Ein höherwertiges Gut – das sind "das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes", wie es in der Gelöbnisformel heißt. Dass der mögliche eigene Tod, wenn auch unausgesprochen, im Gelöbnistext beinhaltet ist, dessen seien sich die meisten Rekruten bewusst, sagt Wittig. "Wer sich für den Wehrdienst entscheidet, hat darüber in der Regel vorher nachgedacht." In seiner Zeit als Kompaniechef sei es aber dennoch einige Male vorgekommen, dass einzelnen Rekruten während der Vorbereitung auf das Gelöbnis Zweifel gekommen seien – zum Beispiel darüber, was passiert, wenn es nicht gelingt, dem feierlichen Versprechen gerecht zu werden. Meistens sei es nach vielen Gesprächen am Ende aber doch gelungen, diese Zweifel auszuräumen. Wer sich dennoch dagegen entscheidet, die Formel zu sprechen, wird auch nicht dazu gezwungen – auch die freie Entscheidung gehört zu den Grundrechten der Demokratie. Allerdings behält sich die Bundeswehr für diesen Fall disziplinarrechtliche Maßnahmen vor; wer sich weigert, ist zumindest für den Rest der Dienstzeit von Beförderungen ausgeschlossen.

Dass nun ein öffentliches Bundeswehrgelöbnis – zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Streitkräfte – vor dem Reichstag stattfindet, ist für Wittig mehr als bloße Symbolik. Wenn die Bundeswehrrekruten auf dem Platz der Republik dem Staat Treue geloben, haben sie buchstäblich vor Augen, wem ihr Einsatz gilt: "Dem Deutschen Volke", steht in Stein gemeißelt auf dem Giebel des Reichstags. "Für mich ist es selbstverständlich, dass so ein Gelöbnis auch vor den Reichstag gehört", sagt Wittig. "Schließlich ist der Wehrdienst kein Dienst, den der Einzelne einfach für sich ableistet. Die Rekruten kommen hier einer Treuepflicht und Leistung gegenüber Staat und Gesellschaft nach."

Einmarsch mit der Truppenfahne, ein paar Reden, dann das feierliche Gelöbnis und zum Schluss die Nationalhymne – im Vergleich zu anderen Nationen seien Bundeswehr-Gelöbnisse bescheiden und schlicht, mit einem klar vorgegebenen Rahmen, der sich auch in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert habe. "In Frankreich veranstalten die Streitkräfte ein regelrechtes Volksfest", sagt Wittig. "Aber so weit wollen wir hierzulande nun auch nicht gehen", fügt er hinzu.

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