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Reformpläne: Bundeswehr: Freiwillige vor

Die Bundeswehr soll deutlich kleiner und die Wehrpflicht ausgesetzt werden. Wie stellt sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Zukunft der Streitkräfte vor?

Nach internen Berichten aus dem Bundesverteidigungsministerium scheint eine Entscheidung über die Reform der Bundeswehr gefallen zu sein. Diverse Szenarien wurden in den vergangenen Monaten diskutiert, nun zeichnet sich eine Variante ab, die in der alten Bundesrepublik noch einer Revolution gleichgekommen wäre: Der Generalinspekteur könnte zum Generalstabschef, die Wehrpflicht ausgesetzt und die Truppenstärke auf 165 000 Soldaten reduziert werden.

Was wird aus der Wehrpflicht?

Die Truppenstärke der Bundeswehr soll auf rund 165 000 Soldaten sinken. Das funktioniert nur unter Verzicht auf die rund 40 000 Wehrpflichtigen. Um nicht in die Verlegenheit zu kommen, die Wehrpflicht ganz abzuschaffen, sollen Freiwillige sie wie ein freiwilliges soziales Jahr ableisten können. Damit bliebe noch eine Reduzierung der Dienstposten um etwa 30 000 Stellen. So würde der Kern der Bundeswehr aus Zeit- und Berufssoldaten im Wesentlichen erhalten bleiben.

Die Bundeswehr hat sich darauf vorbereitet. Mit Blick auf eine mögliche Abschaffung der Wehrpflicht, die immer wichtig für die Nachwuchsgewinnung war, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen ergriffen, den Dienst in der Bundeswehr für Bewerber attraktiver zu machen. Karrieren sollten schneller werden, es sollte Möglichkeiten einer in den Dienst integrierten Berufsausbildung geben. Auch die Freiwilligenwerbung wurde verstärkt.

Das Verteidigungsministerium äußert sich offiziell nicht zu den Spekulationen. In der Truppe hält man sie dagegen für wahrscheinlich. Sicher ist, dass eine weiter reduzierte Bundeswehr, die dann außerdem konsequent auf Auslandseinsätze ausgerichtet sein wird, ihren Kernauftrag, die Landesverteidigung, nicht mehr wird erfüllen können.

Was ändert sich noch?

Besonders heikel wäre eine neue Stellung des Generalinspekteurs. Geplant ist offenbar, dessen Befugnisse deutlich zu erweitern. Damit würde die Bundeswehr zu einer Führungsstruktur zurückkehren, wie sie in Deutschland bis 1945 und heute noch in nahezu allen Armeen der Welt üblich ist. Der Generalinspekteur würde wieder zu einem Generalstabschef, der direkt unter dem Verteidigungsminister Vorgesetzter der Befehlshaber der Teilstreitkräfte (Heer, Marine, Luftwaffe, Streitkräftebasis, Sanitätsdienst) wäre. Im Gespräch ist auch, einen der beiden Staatssekretäre abzuschaffen.

Was ist ein Generalinspekteur heute?

Er ist der ranghöchste Soldat der Bundeswehr. Auf Vorschlag des Verteidigungsministers wird er vom Bundespräsidenten ernannt. Der Name Inspekteur leitete sich von dem Recht und der Pflicht ab, alle Teilstreitkräfte auf ihre Einsatzfähigkeit zu inspizieren. Ursprünglich kam ihm keine Befehlsgewalt zu. Er war nur dem Minister verantwortlich und dessen sowie des Kanzlers erster militärischer Berater. Dagegen war die Stellung der Inspekteure/Kommandeure der Teilstreitkräfte um so stärker. Sie haben ihren Sitz ebenfalls im Verteidigungsministerium und unterstehen dem Minister direkt.

Warum gibt es keinen Generalstab?

Als die Bundeswehr 1955 ins Leben gerufen wurde, war ein nationaler oberster Generalstab weder nötig noch erwünscht. Im Gegenteil: Mit Bedacht wurde eine Kommandostruktur geschaffen, die einen Einsatz der Streitkräfte unter deutscher Führung gar nicht erst möglich machte. Damit sollte zehn Jahre nach dem Kriegsende dem Misstrauen der Westalliierten und der westdeutschen Bevölkerung gegen ein Wiederaufleben des deutschen Militarismus begegnet werden. Zu präsent waren die unheilvollen Erfahrungen mit der Rolle des Militärs im Dritten Reich. Im Verteidigungsfall hätte der Kanzler zwar den Oberbefehl über die Bundeswehr innegehabt. Operativ geführt wären die Truppen aber nur von der Nato.

Was hat sich seither verändert?

Mit der Wiedervereinigung hat sich die Lage geändert. Deutschland erhielt 1990 seine volle Souveränität zurück. Die veränderte Weltlage und die Auslandseinsätze machten ein eigenes nationales militärisches Kommando notwendig. Mit dem Einsatzführungskommando in Potsdam und dem Heeresführungsstab in Koblenz wurde versucht, die fehlenden Führungselemente bereitzustellen, ohne mit dem Politikum Generalstab in Berührung zu kommen. Dennoch forderte die militärische Spitze und besonders der ehemalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan mehr Einfluss auf das militärische Tagesgeschäft. Mit der Übertragung des Kommandos über die neu eingerichtete Teilstreitkraft der Streitkräftebasis an den Stellvertreter des Generalinspekteurs und die Unterstellung des Einsatzführungskommandos unter seinen Befehl wurden 2002 erste Schritte in Richtung eines allgemeinen Generalstabes unternommen. Seither ist der Generalinspekteur so etwas wie der Generalstabschef zumindest für alle vom Einsatzführungskommando geleiteten Auslandseinsätze. Auf die Truppen in der Heimat hat er aber keinen direkten Zugriff.

Nun soll die Stellung des Generalinspekteurs offenbar zu einem Generalstabschef aufgewertet und zugleich die Befehlshaber der Teilstreitkräfte ihm unterstellt werden. Das bedeutet eine erhebliche Konzentration der Befehlsgewalt in der Person des Generalinspekteurs. Einige auf parallelen Ebenen nebeneinander bestehenden Großstäbe könnten dadurch entfallen. Die Vorbereitung und Durchführung der Einsätze, die Planung der Streitkräfte und die Dienstaufsicht lägen dann bei einer zentralen Instanz. Reibungsverluste und Verteilungskämpfe zwischen den Teilstreitkräften würden vermieden.

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