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Politik: Bundeswehr: Verstrahlte Radartechniker machen gemeinsame Sache

Mit vereinten Kräften kämpfen frühere Radartechniker der Bundeswehr jetzt um Entschädigung für ihre Erkrankungen. Vom 1.

Mit vereinten Kräften kämpfen frühere Radartechniker der Bundeswehr jetzt um Entschädigung für ihre Erkrankungen. Vom 1. Mai an ist der "Bund für die Unterstützung Radargeschädigter" in Rödermark bei Frankfurt am Main Anlaufstelle für Betroffene und Hinterbliebene. Dessen Vorsitzender, Peter Rasch, hat selbst jahrelang an Radaranlagen gearbeitet und ist an Krebs erkrankt. Er sagt: "Unser Ziel ist es, den Verein unnötig werden zu lassen. Das haben wir aber erst erreicht, wenn die Betroffenen zu ihrem Recht gekommen sind."

Ehemalige Zeitsoldaten und Techniker sind auffallend häufig an Krebs erkrankt oder verstorben. Die meisten von ihnen hatten Ende der 50er Jahre bis in die 80er Jahre hinein die fraglichen Radargeräte justiert oder repariert. Strahlenphysiker und Mediziner gehen davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit an unzureichend geschützten Radaranlagen und dem Krankheitsbild besteht. Von Radar geht gefährliche Röntgenstrahlung aus. Eine Studie der Universität Witten-Herdecke hat 99 Männer erfasst, von denen 25 gestorben und fast 70 schwer erkrankt sind. Das Verteidigungsministerium weist jede Verantwortung zurück und will eine weitere Studie abwarten, die Ende 2002 fertig sein soll.

Die Zeit drängt jedoch, weil viele erkrankte Männer oder deren Familien weder die Kraft noch die finanziellen Mittel haben, ihre Ansprüche vor Gericht geltend zu machen. Das Verwaltungsgericht Schleswig hatte Ende April einem kranken Kläger Recht gegeben. Der konnte in seinem Verfahren um Anerkennung einer "Wehrdienstbeschädigung" nicht nachweisen, welcher Strahlendosis er ausgesetzt war. Genau das aber wird von jedem Betroffenen verlangt. In den Niederlanden haben Soldaten inzwischen Anspruch auf Entschädigung, selbst wenn die Ursachen ihrer Leiden unklar sind.

Die Schleswiger Richter werfen der Bundeswehr "jahrelange Versäumnisse bezüglich des Umfangs der Röntgenstrahlung" vor und weisen auf "unzulässig hohe" Strahlung hin. Erst 1981 seien Dosisabschätzungen letztlich zugelassen worden. Es sei nun Sache der Bundeswehr, so die Richter, zu belegen, dass der Kläger auch ohne jene Strahlendosis erkrankt wäre. Das Gericht bezog sich auf eine gleichlautende Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Arzthaftungsrecht.

Bundesverteidigungsminister Scharping (SPD) kann bis zum 10. Mai Widerspruch einlegen. Der Bundeswehrverband drängt den Minister zu einem Vergleich, und auch der Verteidigungsausschuss will eine einvernehmliche Lösung. Der SPD-Sicherheitsexperte Manfred Opel sagt: "Das Ministerium wird einen Vergeich auf jeden Fall prüfen." Der FDP-Abgeordnete Hildebrecht Braun betont: "Der Staat hat eine besondere Fürsorgepflicht für diese Männer." Der Grüne Winfried Nachtwei stellt klar: "Rot-Grün trifft nicht die Schuld an der Erkrankung und den Todesfällen der Radarmechaniker. Aber wir tragen heute Verantwortung."

Bei den Selbsthilfegruppen haben sich inzwischen fast 200 weitere Radarfachleute gemeldet. Während das Verteidigungsministerium von etwa 400 Fällen ausgeht, rechnet auch der Bundeswehrverband - die "Gewerkschaft" der Soldaten - mit etwa 1000 Fällen. Darüber hinaus bereitet der Berliner Anwalt Reiner Geulen eine Sammelklage gegen die US-Hersteller der umstrittenen Radargeräte vor.

Claudia Lepping

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