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Bundeswehreinsatz in Afghanistan: Holbrooke erhöht Erwartungen an Deutschland

Der US-Sonderbeauftragte mahnt Deutschland zu höherem Engagement am Hindukusch. Verteidigungsminister Guttenberg will seine Truppen aber unabhängig von den USA verplanen.

Angesichts der Diskussion um einen deutschen Truppenabzug aus Afghanistan hat der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, die Bedeutung eines erfolgreichen Kriegsendes in dem Land auch für Deutschland hervorgehoben. "Das ist genauso im deutschen Interesse wie in unserem", sagte der Diplomat der ZEIT. Holbrooke stellte angesichts der wachsenden Widerstände die Frage: "Werden die Deutschen dieses gemeinsame Interesse auch würdigen?"

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vermeidet derzeit konkrete Angaben zu den Plänen der Bundesregierung für den Anti-Terror-Kampf. Die Andeutungen der internationalen Partner, Deutschland müsse sich stärker engagieren, wehrt er erneut ab. Er lasse sich bei den Truppenplanungen nicht von Wünschen der Amerikaner unter Druck setzen, sagte er der Leipziger Volkszeitung. "Ich bin niemand, der sich einem Gruppenzwang unterwirft. Zu meiner Meinungsbildung brauche ich auch keine Vorgabe aus den USA."

In den letzten Wochen hatte die Nato eine Truppenaufstockung von mehreren tausend Mann angekündigt, aus den USA verlautete, Soldaten nach Nordafghanistan zu schicken, wo eigentlich die Deutschen agieren. Vermutungen und Berichte widmeten sich der Frage, ob die Bundeswehr mehr Soldaten schickt und wenn ja, wie viele. "Die immer mal wieder genannte Zahl von 2500 zusätzlichen Soldaten ist nicht realistisch", sagte Guttenberg dazu. Auf der Afghanistan-Konferenz Ende Januar werde er mit konkreten Zahlen zur künftigen deutschen Truppenstärke aufwarten und gegebenenfalls auch Erwartungen der Amerikaner enttäuschen.

Die Initiative Berlins für die Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London beinhalte indes nicht nur Vorschläge zur zukünftigen Truppenstärke. "Unser Grundsatz lautet: Eine sichere Zukunft für Afghanistan ist nicht allein militärisch zu gewinnen", so der Minister. Entscheidend werde die Konzentration auf zivile Maßnahmen sein. "Der isolierte Ruf nach mehr Kampftruppen wird dem bisherigen deutschen Engagement nicht gerecht", sagte Guttenberg und kritisierte damit indirekt Nato und USA, die durch die Ankündigung weiterer Soldaten auch Erwartungen an Deutschland richten. "Natürlich kämpfen unsere Truppen auch. Aber wir stehen besonders für mehr und gute Ausbildung von Sicherheitskräften."

Nach Ansicht des Obama-Beraters Holbrooke ist auch im neunten Jahr des Afghanistan-Krieges ein Ende nicht in naher Sicht. Er machte klar, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen "dem Terrorismus Tausende neuer Rekruten zuführen" würde, denn die Führung der Taliban sei "eng mit al-Qaida verknüpft". Holbrooke sagte, dass der Sieg vom Schutz der Zivilisten abhänge. "Unsere Truppen haben strikte Order, so etwas wie Kundus zu vermeiden", sagte er.

Zur Vorbereitung der Afghanistan-Konferenz hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Informationen der Rheinischen Post einen Kabinettsausschuss unter ihrer Führung eingerichtet. Zu den Mitgliedern des Ausschusses, der am Montagnachmittag zum ersten Mal im Kanzleramt zusammengekommen sei, gehörten Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), Verteidigungsminister zu Guttenberg, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU). Der Ausschuss solle eine gemeinsame Linie für die Afghanistan-Konferenz innerhalb von drei Wochen ausarbeiten, berichtet die Zeitung.

In der Debatte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr kritisierte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann für ihre Äußerungen. Ihre Worte seien "weltfremd und bringen wenig. Frau Käßmann blendet wichtige politische Zusammenhänge aus", sagte der Politiker der Bild-Zeitung. "Ihre Forderung nach mehr Fantasie für den Frieden wird Terroristen nicht von Anschlägen abhalten."

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte in ihrer Neujahrspredigt einen erkennbaren Plan für den Abzug der Soldaten gefordert. In einem Interview zu Weihnachten hatte sie gesagt: "Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland ist dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen." Dies sei nur möglich, wenn der zivile Aufbau – anders als bisher – klar dominiere. Schünemann sagte, gegen islamistische Extremisten "hilft keine Gesinnungsmoral à la Käßmann, sondern nur entschlossene Sicherheitspolitik". Gerade in der jetzigen Bedrohungslage dürfe man den Soldaten nicht in den Rücken fallen.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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