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Politik: Castor-Transport: Selbstverteidigung

Auf dem Platz vor dem Uelzener Bahnhof sind Traktoren aufgefahren. An den Ladegabeln hängen Transparente mit Anti-Castor-Parolen und zu einem "X" zusammengenagelte, gelbe Latten.

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Auf dem Platz vor dem Uelzener Bahnhof sind Traktoren aufgefahren. An den Ladegabeln hängen Transparente mit Anti-Castor-Parolen und zu einem "X" zusammengenagelte, gelbe Latten. Rund 70 Atomkraftgegner aus dem Wendland haben sich auf den Weg in die rund 50 Kilometer entfernte Kreisstadt gemacht, um mit Umweltminister Jürgen Trittin über Atommülltransporte und das Demonstrationsrecht zu diskutieren. Die jüngsten "provozierenden Aussagen" des Ministers hätten die Wendländer bewogen, nicht nur dem Castor, sondern auch Trittin entgegenzutreten, sagt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg.

Doch Trittin ist nicht da. Er hat am Nachmittag in der Umgebung einige ökologische Projekte besichtigt, seine vorgesehene Teilnahme am "Grünen Abend" im Bahnhof aber kurzfristig abgesagt. "Der hat gekniffen", heißt es bei der Bürgerinitiative. Man ist sauer, dass die Grünen-Parteispitze in Interviews vor Blockaden gegen den Ende März in Gorleben erwarteten Castor-Konvoi warnt, einer Auseinandersetzung mit den Atomgegnern vor Ort aber aus dem Weg geht. Die BI sucht schon seit längerem um einen Termin mit der Grünen-Führung nach. Der Vorsitzende Fritz Kuhn und seine designierte Kollegin Claudia Roth sollten den umstrittenen Parteiratsbeschluss doch "auf einer öffentlichen Versammlung im Wendland erläutern und sich einer Diskussion stellen", faxte Ehmke nach Berlin.

Der Verdruss über die "grünen Technokraten" nimmt unter den BI-Aktivisten zu - und Minister Trittin, früher Bundesvorstandssprecher der Grünen, wird inzwischen immer häufiger als Hauptgegner angesehen. Obwohl er doch nur "seine Verantwortung wahrnimmt", wie Grünen-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer versichert. Und auch die Berliner Umwelt-Staatssekretärin Simone Probst wirbt für des Ministers Position, "ganz unemotional", wie sie sagt. Probst zum Tagesspiegel: "Wer für den Atomkonsens ist, darf jetzt nicht gegen die Rücktransporte demonstrieren. Da kann es keinen Mittelweg geben."

Selbst der Partei-Linke Hans-Christian Ströbele hat gewisses Verständnis für Trittins Haltung: "Natürlich verteidigt er jetzt den Atomkonsens." Ströbele selbst aber will gegen die Castor-Transporte auf die Straße gehen: "Ich halte Demonstrationen für richtig. Es wird weiterhin Druck ausgeübt werden müssen." Trittin selbst sieht keinen Anlass, seinen Aufruf gegen Protestaktionen zurückzunehmen: Eine Demonstration von Grünen gegen die eigene Bundesregierung werde den Grünen "nicht nützen, sondern schaden".

Der Mobilisierung zu Aktionen gegen die Castoren tun die Demo-Warnungen der Grünen keinen Abbruch, ist Jochen Stay sicher. Der Sprecher der Kampagne "x-tausendmal quer" verweist auf bislang über 4000 Frauen und Männer, die sich schriftlich bereit erklärt haben, bei einer Sitzblockade in Gorleben mitzumachen. Die guten Argumente wähnt Stay ohnehin bei den Demonstranten, und nicht bei Trittin. Wer es als unmoralisch bezeichne, die westlichen Nachbarn auf deutschem Atommüll sitzen zu lassen, gleichzeitig aber in den nächsten fünf Jahren 500 weitere Castoren nach La Hague schicke, dem bleibe "die Moral im Halse stecken".

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