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Politik: CDU: Nun ist Schäuble der Außenseiter

Er ist wieder da. Nicht als lächelnder Buddha in der fünften Parlamentsreihe, nein, vorn in Reihe eins, und vor allem: oben am Rednerpult.

Er ist wieder da. Nicht als lächelnder Buddha in der fünften Parlamentsreihe, nein, vorn in Reihe eins, und vor allem: oben am Rednerpult. Die Bühne drapiert in leuchtendem Blau, davor die massige Gestalt. Helmut Kohl spricht, im Haus der Wirtschaft in Berlin, ein Atrium wie eine Kathedrale - der rechte Platz für ein Hochamt, am Schluss erheben sich die Zuhörer von den Sitzen. Was soll noch ein ruhender Ehrenvorsitz, wenn einer so in Ehren wieder aufgenommen wird? Der Kanzler der Einheit, so will ihn die Partei: Der Kanzler der schwarzen Kassen - nicht vergessen, aber erfolgreich verdrängt.

Das seien nicht die 25 Jahre des Parteivorsitzenden Kohl, sagt Angela Merkel, die nach ihm spricht. Ihr Auftritt beendet den Beifall für Kohl schon nach etwa eineinhalb Minuten. Früher, auf Parteitagen, haben sie ihm bald zehn Mal so lang gehuldigt. Jetzt reicht es, die Vergangenheit ist wieder aufgenommen, jetzt ist die Gegenwart dran und, daran lässt die Vorsitzende keinen Zweifel aufkommen, die Zukunft.

Kohl spricht auf dem Festakt seiner Partei zum zehnjährigen Jubiläum der Vereinigung von West- und Ost-CDU. Eine Art diplomatisches Ringen hat es darum gegeben, wo er auftreten solle, nachdem Kurt Biedenkopf, der Parteifeind und Bundesratspräsident ihn nicht beim staatlichen Festakt in Dresden als Redner berücksichtigt hatte. Immer stärker war das Drängen in der Partei, in der Bundestagsfraktion geworden: Wir müssen wieder zeigen, dass er einer von uns ist. Hier tun sie es. Dafür benimmt sich Helmut Kohl wieder als einer von ihnen: "Gemeinsam" handeln, "gemeinsam" werden wir es schaffen, wie ein Refrain durchzieht dies Wort die anlassgemäß erinnerungsschwangere Rede. Die Spender, die schwarzen Kassen? Keine Rede davon. Helmut Kohl verteidigt seinen Platz in der Geschichte und er tut es mit Bravour, versucht die Gegner zu beschämen: Willy Brandt würdigt er weit ausführlicher als in seinem Manuskript steht, die Streicheleinheiten für seinen unmittelbaren Vorgänger Helmut Schmidt sind vollends improvisiert. Er und nachtragend? Die anderen wollen ihn vom Sockel stürzen, er ist souverän. Und die Spender, die schwarzen Kassen, die ihm, die seiner Partei das Leben so schwer gemacht haben? Kein Wort, doch einmal kommt er indirekt darauf zu sprechen. Alle machten Fehler, sagt er da, er auch - unzählige Male hat er diese Formulierung in der Vergangenheit gebraucht, jetzt setzt er hinzu, das wisse er am besten. Ich weiß es, heißt das, nicht die anderen. Überhaupt, die anderen: Merkel schafft es, wie vor ihr nur, ja wie vor ihr nur Kohl, Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Sie schildert Begegnungen mit ihm, erzählt wie sie sich auch über ihn geärgert habe, spricht seine Eitelkeit an - aber nur bei Nebensächlichkeiten. Zur Hauptsache, den Spendern, den schwarzen Kassen schweigt auch sie.

Und überhaupt, was das solle: Kein Streit um die deutsche Einheit? Warum nicht, und wann, wenn nicht jetzt? Selbst die Schwächen Helmut Kohls macht sie nun zur Stärke gegenüber seinem Nachfolger Gerhard Schröder. Er habe sie beobachtet im Kabinett, berichtet sie, weil er wissen wollte, wie sie ihre Wahrnehmung und ihre Vorurteile ihm gegenüber in Übereinstimmung bringe. Sehen Sie, schließt die Ostdeutsche daraus: Der Mann hat sich für uns interessiert: "Das ist der Unterschied zwischen Chefsache und Herzenssache, zwischen Chefsache Schröder und Herzenssache Kohl."

Mittendrin sitzt einer, der macht eine Miene zum Ganze, als würde er auch dann zum Jubel nicht aufstehen, wenn er nicht an der Rollstuhl gefesselt wäre: Wolfgang Schäuble. Nicht weit von ihm hat Kohl in der ersten Reihe Platz genommen, hat ihn in seiner Rede gewürdigt, aber jetzt würdigen sie einander keines Blickes. Kohl ist wieder in der Mitte der CDU, Schäuble nun der Außenseiter. Keiner würde so etwas sagen, aber Schäubles Gesicht spricht Bände: Er weiß es.

Thomas Kröter

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