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Selbstbewusst, aber versöhnlich. CSU-Chef Horst Seehofer beim Parteitag der Schwesterpartei in Karlsruhe.

© Reuters

CDU-Parteitag: Horst Seehofer auf Versöhnungskurs

Weder reuiger Sünder, noch Krawallmacher: Bei seinem Gastauftritt auf dem CDU-Parteitag widmet sich CSU-Chef Horst Seehofer vornehmlich den Gemeinsamkeiten in der Asylpolitik. Doch Angela Merkel bleibt reserviert.

Manche hatten ja gespottet, dass Horst Seehofer rechtzeitig noch eine schlimme Grippe oder ein Bandscheibenvorfall überfallen könnte, um sich nicht nach Karlsruhe begeben zu müssen. Schließlich hatte der CSU-Chef beim Parteitag der Schwesterpartei mit einem ungemütlichen Empfang rechnen können. Nachdem er die gefeierte Hausherrin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel drei Wochen zuvor in München auf offener Bühne im Streit um die Flüchtlingspolitik so abgemeiert hatte.

Doch der Mann aus Bayern dachte nicht daran, sich den Ruf eines Feiglings einzuhandeln. Im Gegenteil. Seehofer scheint seinen Auftritt bei der CDU zu genießen. Statt der vereinbarten 30 Minuten spricht er gute 50. Und sein Grußwort strotzt vor Selbstbewusstsein - trotz des demonstrativ verhaltenen Applauses, mit dem ihn die Delegierten im Saal begrüßt haben.

Lob auch für das CDU-Konzept

Dabei sucht er bei seinem Gastauftritt natürlich nicht die Konfrontation, sondern preist vor allem die Gemeinsamkeiten. Zollt, so pflichtschuldig wie genüsslich, der CDU-Chefin als "exzellente" und auch im Freistaat hochgeschätzte Kanzlerin ausgiebig seine Anerkennung - was ihm den mit Abstand längsten Zwischenbeifall einbringt. Und lobt sogar den Leitantrag der Schwesterpartei, weil der ja ebenfalls ein "klares Bekenntnis zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen" enthalte - obwohl der für die CSU so unverzichtbare Begriff der "Obergrenze" darin nicht zu finden ist.

Gleichzeitig bleibt Seehofer aber bei seiner Linie. Die Politik, so mahnt er die "liebe Angela", müsse "immer auch ein Seismograph der Lebenswirklichkeit" sein. Die Flüchtlingswelle - er zitierte hier den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk - sei "zu groß, um sie nicht zu stoppen". Die Bevölkerung dürfe niemals den Eindruck bekommen, die Politik kümmere sich weniger um sie und ihre Probleme als um die der Flüchtlinge.

Warnung vor den Rechtsradikalen

Das alles klingt, mal wieder, wie eine Belehrung. Und es kommt noch dicker. Rechts von der Union, so wirft sich Seehofer ganz in der Diktion seines Altmeisters Strauß ins Zeug, dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Der beste Schutz vor Rechtsradikalismus sei es, "die Probleme, die die Menschen beschäftigen, zu lösen". Und politisch "abgerechnet" werde - das klingt dann schon ein wenig bedrohlich - ohnehin am Ende, beim Blick auf die Flüchtlingszahlen.

Macht Seehofer jetzt die Kanzlerin und ihren Kurs für das Erstarken der rechtpopulistischen AfD verantwortlich? Wirft er ihr vor, die Lebenswirklichkeit in Deutschland zu ignorieren? Man kann das zumindest so verstehen. Und sich ärgern. Als CDU-Mitglied oder als Kanzlerin.

Kein reuiger Sünder

Nein, den reuigen Sünder will Seehofer nach der unschönen Kollision in München keinesfalls geben. Der Leitantrag der CDU sei mit zwei Gegenstimmen beschlossen worden, rechnet er vor. Der Leitantrag der CSU habe nur eine Gegenstimme erhalten. Diese beiden Konzepte müsse man nun "übereinanderlegen". Und bei aller Erleichterung über die Formulierungen der CDU und deren Einsicht, dass ein derartiger Flüchtlingszustrom auf Dauer auch für ein reiches Deutschland die Belastungs- und Leistungsfähigkeit übersteige: Die Forderungen der CSU nach konsequenterer Begrenzung und Rückführung blieben bestehen. „Ich gebe nichts auf. Das haben Sie auch nicht von mir erwartet.“

Doch dann gibt sich der Bayer wieder versöhnlich. Es bringe doch nichts, sagt er, weiter auf dem Unterschied zwischen "Obergrenze" und "Kontingent" herumzureiten,. Damit könne man zwar Sprachwissenschaftler beschäftigen. „Die Bevölkerung interessiert allein die Tatsache, ob es uns gelingt, die Flüchtlingszahlen spürbar zu reduzieren. Und zwar nicht irgendwann, sondern in einem überschaubaren Zeitraum.“

"Wir sind gar nicht so schlimm"

"Wir sind gar nicht so schlimm, wie ihr uns unterstellt", ruft Seehofer in den Saal. Bayern habe als Hauptankunftsland der Flüchtlinge "über viele Monate hinweg eine erstklassige Visitenkarte der Mitmenschlichkeit abgeliefert". Von Abschottung halte man auch im Süden Deutschlands nichts. "Dass Bayern blüht, verdanken wir sowohl der einheimischen Bevölkerung als auch den Menschen, die nach Bayern gekommen sind", verkündet der Ministerpräsident. Und er zählt auf: Heimatvertriebene, Spätaussiedler, Gastarbeiter, Migranten. Das hätte auch von Bayerns Grünen kommen können.

Gegen seine Forderung, die Voraussetzungen für Flüchtlingsaufnahme klar zu benennen, kann in der CDU ebenfalls keiner was haben. "Wer zu uns kommt, muss mit uns leben wollen und nicht neben uns oder gar gegen uns", sagt Seehofer. Wer das Grundrecht auf Asyl wahrnehme, müsse auch die Grundrechte anderer achten, sich an die "Leitwerte" des Gastlandes halten, bestrebt sein, sich seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen. Unter diesen Vorgaben sei das Geld für zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze, Sozialwohnungen und Integrationshelfer, das auch der Freistaat für die Flüchtlinge lockermache, "gut angelegt".

Merkel verzichtet auf ein Dankeswort

Als Seehofer dann noch beteuert, dass es auf das Flüchtlingsproblem "keine Schwarz-Weiß-Antworten" gebe und dass man "rechte Dumpfbacken" nicht mit ebenso dumpfen Parolen bekämpfen könne, scheinen die Delegierten wieder ihren Frieden mit dem CSU-Vormann gemacht zu haben. Daran ändert auch sein gönnerhafter Zuspruch für die CDU-Kandidaten der kommenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nichts mehr. Was soll's, der Mann regiert schließlich mit absoluter Mehrheit und bringt der Union wichtige Stimmen.

Höflicher Applaus, auch Angela Merkel lächelt freundlich. Doch es bleiben Irritationen. Hatte sich die CDU-Chefin von Seehofer mehr Einlenken erwartet, nach allem was war? Jedenfalls verzichtet sie auf das übliche Dankeswort. Und obwohl sie von Seehofer gestenreich neben sich ans Rednerpult gebeten wird, bleibt sie stur auf ihrem Platz im Präsidium sitzen.

Nur zu einem Gruppenbild mit allen anderen kann sich die Kanzlerin aufraffen.

Das direkte Nebeneinander mit Seehofer auf offener Bühne, das hatte sie in München schließlich schon mal.

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