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CDU und AfD in Sachsen: Eine Wahl mit Nachgeschmack

Der Erfolg der Alternative für Deutschland ist vor allem ein Problem für die Union. Die AfD droht für die CDU zu einer Art Linkspartei von rechts zu werden. Welche Koalitionsoptionen haben die Christdemokraten?

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel findet „Langzeitaussagen“ völlig falsch. Jedenfalls soweit sie sich aus der Landtagswahl in Sachsen ergeben könnten. „Gestern war ein guter Tag für die Christlich-Demokratische Partei“, sagt die Parteivorsitzende nach der Sitzung von Präsidium und Vorstand in Berlin. Wenn es nach ihr ginge, wäre damit alles gesagt, zumal heute. Der Bundestag wird gleich über die Waffenhilfe für irakische Kurden debattieren. In den Parteigremien war die Zuspitzung der Ukrainekrise beherrschendes Thema. Da spielt die Frage, ob sich gerade hierzulande die Parteienlandschaft neu sortiert, für die Kanzlerin bloß eine Nebenrolle. Doch das könnte sich als Fehler erweisen – speziell aus der Langzeitperspektive.

Denn der Zehn-Prozent-Durchmarsch der Alternative für Deutschland (AfD) in den Dresdner Landtag stellt die Überzeugung infrage, mit der sich die CDU bisher über die lästige Konkurrenz hinweggetröstet hat: dass die Anti-Euro-Truppe von selbst wieder verschwinden werde wie einst das Piraten-Gespenst, sobald ihr Gründungsthema nicht mehr brandaktuell ist. Das wäre also jetzt, denn von Euro-Krise ist kaum mehr die Rede. Die AfD aber denkt nicht ans Verschwinden, sondern an nächste Erfolge in Thüringen und Brandenburg.

Tatsächlich liegt die wichtigste Erkenntnis der Sachsen-Wahl darin, dass die AfD sich von ihrem eigenen Gründungsthema unabhängig gemacht hat. Wer AfD wählt, tut es offensichtlich nicht mehr in erster Linie als Protest gegen die Euro-Rettungspolitik, sondern aus Protest gegen alles Mögliche. Die Neuen seien „eine Sammelbewegung für diejenigen, die mit den Parteien unzufrieden sind“, stellt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ganz richtig fest.

Merkel erinnert zugleich daran, dass die Truppe ihre Wähler nicht allein von der CDU abzieht. Ihr Zustrom speist sich aus Ex-Anhängern aller Parteien, von der halbtoten FDP bis zu den – ein sächsischer Sonderfall – im Freistaats sonst besonders starken „Sonstigen“. In der CDU-Führung gilt das als Beleg dafür, dass die Alternative keineswegs nur ein Problem der CDU sei und nicht nur ihr schade.

Numerisch stimmt das. Politisch stimmt es nicht. Denn eine AfD, die auf Dauer im Zehn-Prozent-Bereich bliebe, droht für die CDU zu einer Art Linkspartei von rechts zu werden: So, wie die Linke der SPD immer wieder beim Versuch im Weg steht, eine Regierungsmehrheit links der Mitte zustande zu kriegen, könnte die AfD der CDU die Mehrheitsbildung verhageln. Das gilt umso mehr, wenn sich das Ende von Schwarz-Gelb in Dresden nicht als Ende einer Talfahrt der FDP erweist, sondern als Endpunkt einer ganzen Parteigeschichte. Für Tillich sind solche Fragen bei knapp 40 CDU-Prozenten noch kein Problem. Aber von 40 Prozent kann die CDU andernorts höchstens träumen. Und wenn dann ein koalitionsfähiger Partner im „bürgerlichen“ Lager fehlt, könnte es rasch einsam werden.

Tatsächlich ist auch Merkel nicht ganz so sorglos, wie sie gern wirken würde. Ausführlicher als sonst geht sie auf Fragen ein, wie die CDU die neue Konkurrenz bekämpfen will. Man müsse schauen, „welche Probleme wir als Union noch nicht so gelöst haben, dass die Menschen damit zufrieden sind“, sagt die CDU-Chefin und nennt Fragen wie die Kriminalität an der Grenze oder „das Asyl“. Das klingt logisch.

Es lässt nur außer Acht, dass der Protest, den die AfD repräsentiert, eher eine Haltung ist als konkrete Unzufriedenheit mit konkreten Fragen. Das unterscheidet sie von früheren Protestparteien. Die Republikaner etwa verdankten ihren Erfolg in den 90er Jahren der Asyldebatte. Es unterscheidet sie aber auch von den Piraten. Deren Mitglieder und Anhänger wollten die Welt ändern. Der AfD-Klientel reicht es, sich über die Welt zu ärgern. Dass die AfD kein klares Programm hat, schadet ihr derzeit nicht – es hilft im Gegenteil beim Einsammeln der vielerlei Unzufriedenen.

Über die AfD als denkbaren künftigen Koalitionspartner redet übrigens am Tag nach der Sachsen-Wahl in der CDU keiner. Die üblichen Verdächtigen wollen nichts sagen oder nur Sätze, die mit der Parteiführung verträglich sind. Der Thüringer Fraktionschef Mike Mohring, der am Abend vorher noch die AfD unter die denkbaren Koalitionspartner in Sachsen gerechnet hatte, betont jetzt ein ums andere Mal sein Wunschziel Schwarz-Grün bei der Wahl in zwei Wochen.

Über Tillichs nebulösen Umgang mit der Koalitionsfrage im Wahlkampf ist in den Spitzengremien kein Wort gefallen. Kommentare dazu gibt es höchstens indirekt: In NRW, sagt Landeschef Armin Laschet, hätten sie der AfD im Europawahlkampf klar Kontra gegeben. Die Alternative kam an Rhein und Ruhr kaum über fünf Prozent.

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